PR2618-Flucht von der Brückenwelt
Doch warum hätten sich ihre Gegner diese Mühe machen sollen? Wenn sie die Falltür nicht nahmen, saßen sie in einer Sackgasse. Zudem hatte der Fremde den Namen ihres Kontaktes bei der Widerstandsbewegung genannt.
Jenke atmete durch und sprang in die Dunkelheit.
*
»Es war zu befürchten gewesen, dass Zattlasyd euch verraten würde«, erklärte der Alte Ship, während sie nebeneinander durch einen langen, steril wirkenden Gang eilten. Mehrere Kellerräume hatten sie bereits durchquert, nur auf schnelles und möglichst lautloses Vorankommen bedacht, waren dann weiter hinunter in eine verwahrlost wirkende Kanalisation gestiegen und schließlich durch ein getarntes Mauerloch wieder in ein Gangsystem gekrochen. Erst nachdem auch dort noch kein Anzeichen von Verfolgung zu erkennen gewesen war, wagten sie zu reden.
»Seine Geldgier ist leider der einzige Grund, aus dem er sich mit vielen Leuten umgibt – umso mehr Möglichkeiten hat er, ihnen etwas aus den Taschen zu locken. Aber das Viertel um sein Haus zählt zu den Gebieten mit der geringsten Überwachungsdichte, und im Inneren kann man leicht untertauchen. Es tut mir leid, dass es so knapp geworden ist.«
»Wenigstens haben wir es rechtzeitig geschafft«, stellte Jenke fest. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter. Sie hatte es kaum zu hoffen gewagt, aber irgendwie war es tatsächlich allen gelungen, rechtzeitig vor der Allgegenwärtigen Nachhut den Tempelraum zu erreichen und in den Gang zu springen. Ein alter Schmugglergang, wie Shipa Gajoship erklärte. Einer der Wege, die Zattlasyd zur Beschaffung von Waren nutzte, die sich am Rande der Legalität bewegten – oder auch jenseits davon.
»Ich hoffe nur, euer Helfer ist wirklich davongekommen.«
»Keine Sorge«, sagte Goccpru leise von der anderen Seite. Er hatte bereits auf der anderen Seite des Mauerlochs auf sie gewartet. »Er arbeitet schon eine Weile als Angestellter im ›Haus der Entsühnten‹ und hat die Zeit nicht nur genutzt, um für uns Informationen zu sammeln und diesen Zugang für uns nutzbar zu machen, sondern auch, um sich und uns gegen Notfälle abzusichern. Es geht ihm gut.«
Wie während der Befreiung der Terraner aus dem Gefängnis von Alldar-Shath wurde der Buochopone in seinem reich verzierten Lebensfundustopf in einer Art Sänfte getragen, deren Halterungen auf den Schultern zweier beeindruckend massiver Geschöpfe auflagen. Hätten nicht schon die wuchtigen Körper und die an Säulen erinnernden Gliedmaßen klargemacht, dass man sich mit diesen Wesen besser nicht körperlich anlegte, wäre das spätestens durch das Horn geschehen. Spitz ragte es im unteren Drittel ihrer Gesichter auf, knapp über dem schmallippigen Mund und unterhalb der kleinen, unter Hautfalten fast verborgenen Augen. Noch immer konnte Jenke nicht den Finger darauf legen, warum ihr diese Geschöpfe bekannt vorkamen oder woran sie sie erinnerten.
Was Buochoponen betraf, war die Assoziation zu einem Pilz unweigerlich bereits bei der ersten Begegnung mit Angehörigen dieser Spezies gekommen. Tatsächlich hatte Jenke die hüfthohen Wesen im ersten Moment für ungewöhnliche Zierpflanzen gehalten, bis sie ihnen als Wahrheitsspürer vorgestellt worden waren. Auch Goccpru hatte zweifelsohne diese Fähigkeit, Lüge und Wahrheit voneinander zu trennen, was Jenke in seiner Gegenwart zu Vorsicht veranlasste. Trotzdem konnte sie sich einer gewissen Sympathie für das Wesen nicht erwehren.
»Wohin bringt ihr uns jetzt?«
»In das fiskalische Casino ›Gewinnbringendes Bhoucdan‹. Ich zähle dort zu den Wahrhaftigkeitsprüfern und wohne auch dort, was uns gewisse Möglichkeiten eröffnet hat«, antwortete Goccpru. Wenn er redete, riss sein Pilzhut an einer Stelle längs auf und rollte sich von dem Riss aus ein. Damit wurde der Blick auf das fein gezeichnete Gewebe darunter frei, dessen sanftes Pulsieren etwas Hypnotisches hatte.
»Fiskalisches Casino? Was ist das?«
»Die Bürger können dort um ihre Steuerlast spielen. Gewinnt man, kann sogar ein Guthaben dabei herausspringen, doch verliert man, zahlt man für einen anderen mit.«
Bevor Jenke weiter nachfragen konnte, erreichten sie eine halbrunde Tür.
»Es ist besser, wenn die meisten von euch hier unten warten«, sagte Shipa. »Wir bringen euch grüppchenweise und getarnt auf die andere Seite.« Er berührte die Tür, die sich daraufhin in Segmente teilte, fächerartig zu einer Seite zusammenklappte und im Boden versank. Der Raum dahinter war nur
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