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PR2619-Planet der Formatierer

PR2619-Planet der Formatierer

Titel: PR2619-Planet der Formatierer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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leuchteten im selben intensiven Blau wie der gesamte Saal.
    Vier Sayporaner betraten die Bühne von irgendwoher. Sie fassten mit einem Griff, der Routh an die Kampfchoreografie von Samurai erinnerte, über die Schultern und holten ihre Phenuben nach vorn. In diesen Instrumenten verschmolzen Dudelsack und Saxofon. Sie stimmten sich kurz ab und spielten.
    Die Musik strahlte Wärme und Behaglichkeit aus, eine Geborgenheit wie in Kinderträumen. Dabei verströmte sie ein durchaus fremdländisches Kolorit, einen fernen, festlichen Glanz. Allmählich beschleunigte sich das Tempo. Der Vortrag wurde aufbrausender. Triolen wirbelten in erregten punktierten Rhythmen, unaufhaltsam, ungeduldig, sich förmlich überschlagend wie ein melodischer Wasserfall. Zugleich rieselte feiner, feuchter Dunst von der Decke des Saales.
    Oxytocin?, vermutete Routh.
    Puc bestätigte.
    Also noch ein paar Liter vertrauensbildende Hormone. Biochemische Prägung. Ziemlich einfallslos, artikulierte Routh spöttisch.
    Wer ändert ohne Not, was sich bewährt?, fragte Puc. Ich vermute, die blaue Farbe soll den Effekt der Berieselung unterstützen. Die Sayporaner sind erstaunlich menschenkundige Psychologen.
    Das Implantmemo erinnerte ihn an die Wirkung von Farben. Demnach beeinflussten Farben nicht nur die Gefühlslage, sondern auch das Denkvermögen. Rot steigerte die Aufmerksamkeit, alarmierte Menschen geradezu. Blau dagegen weckte und steigerte die Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen, assoziativer und damit schöpferischer zu denken.
    Die Musik des Phenuben-Quartetts gipfelte schließlich in fanfarenhaften Rufen. Dann war Stille.
    Das Publikum schwieg ergriffen, beinahe entrückt. Plötzlich stand ein weiterer Sayporaner zwischen den Auguren. Er hob begrüßend beide Arme. Der neue Sayporaner setzte sich auf den Stuhl mit dem künstlichen Himmel.
    »Ich bin bei euch gewesen seit eurer Ankunft«, sagte der Sayporaner. »Mein Name ist Pläccriz. Ich bin ein Gestalter oder – wenn ihr diesen Begriff vorzieht – ein Formatierer.«
    Das Gesicht des Sayporaners wirkte – wenn es überhaupt Hinweise auf sein Geschlecht gab – feminin; vielleicht erweckte aber auch nur der mütterliche Klang der Stimme diesen Eindruck. Routh studierte das Gesicht und die schwache Mimik des Fremden, die sich auf ein angedeutetes Lächeln beschränkte.
    Während der Formatierer sprach, kam Routh allmählich zum Bewusstsein, dass er Pläccriz' Rede bereits so oder sehr ähnlich gehört hatte, vor einigen Tagen bei seiner Ankunft in der Halle Sternenfall: die Fundamente von irgendwas; die Daakmoy; Banteira, die Wandelsterne Saypor und Druh. Pläccriz behandelte eben das Thema Mond und die dortigen Meteoriteneinschläge: »Wir haben nicht einen Einschlag gesehen. Wir leben unsere immergleichen Jahre und denken: Alles solide gebaut. Wie uns das beruhigt. Kommt. Lasst uns in den Keller gehen und die Fundamente besichtigen. Seht euch um: Das gehört zu den alten Fundamenten eurer Welt. Dies ist die Erde – unverstellt.«
    Plötzlich baute sich über dem Baldachin eine große, komplexe Holoprojektion auf. Routh sah einen Kreis von Leuten, offenbar Terraner, die sich um ein offenes Feuer versammelt hatten. Alle diese Menschen lachten. Manche beugten sich neugierig vor, wiesen mit ausgestrecktem Arm auf das Feuer.
    Sie trugen altertümliche, sichtlich kostbare Kleidung. Purpur und Hermelin. Silberne Stirnreifen.
    Jemand schürte das Feuer. Irgendetwas war in diesem Feuer, aber Routh konnte nicht klar erkennen, was.
    Pläccriz' Stimme klang durch die Projektion: »Wir sehen die irdische Stadt Paris. Wir befinden uns im 16. Jahrhundert vor der aktuellen Zeitzählung. Vor nicht einmal dreieinhalbtausend Jahren. Wir sehen ein öffentliches Vergnügen bei Hof. Die Terraner sind für ihre Zeit wohl ausgebildet. Sie repräsentieren als höfische Gesellschaft das soziale Leitbild ihrer Epoche.«
    Jetzt endlich wurde Routh klar, was er in den Flammen sah. Über dem Feuer hing auf einem Spieß eine Katze. Sie lebte. Sie wand sich und schrie. Aber ihre Schreie wurden vom Gelächter der Zuschauer, den entzückten Juchzern der Damen, dem tönenden Bass des Königs übertönt.
    Allmählich verbrannte die Katze. Schließlich verkohlte sie. Routh war klar, dass es sich nicht um eine Aufzeichnung handeln konnte – das hätte ja vorausgesetzt, dass sich die Sayporaner bereits vor Jahrtausenden mit der Erde befasst und Terra besucht haben müssten. Instinktiv wehrte er diese Vorstellung

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