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Prada Party und Prosecco - Roman

Prada Party und Prosecco - Roman

Titel: Prada Party und Prosecco - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny Colgan
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Lady!«, riefen sie. Na super. Das fehlte mir gerade noch, dass ich von einer Gruppe Kinder ausgeraubt wurde. Waren hier denn alle wilde Bestien oder was?
    »Wollen Sie zur Old Kent Road?«
    Hilfe!
    »Die weiß nicht, wo die Old Kent Road ist?«, fragte einer ungläubig.
    »Nee«, rief ein anderer. »Wir sollten sie nach Brighton schicken, oder?«
    Der mit dem größten Fahrrad, offensichtlich der Anführer, brachte sie mit einem Blick zum Schweigen. »Zur Old Kent Road«, erklärte er und zeigte auf eine breite, vielbefahrene Straße, die sich meilenweit bis zum Horizont hin erstreckte, »geht’s da lang.«
    Dann zog er mit einer Kopfbewegung, die entfernt an ein Nicken erinnerte, ab. Erstaunlicherweise fühlte ich mich plötzlich viel besser, und das, obwohl es immer stärker zu regnen schien. Ich wünschte plötzlich, ich hätte nicht meine Sonia-Rykiel-Stiefel aus weichem Wildleder angezogen, aber ich wollte bei diesen Leuten schließlich Eindruck schinden, damit sie mich bei ihnen einziehen ließen, und ich hatte mir gedacht, dass solches Schuhwerk wohl jeden beeindrucken würde. Normalerweise.
    Eine Dreiviertelstunde später war ich den Tränen nahe. Die Old Kent Road war unendlich lang. Ein besserer Name wäre wohl die verdammt endlose Old Kent Road, die sich ständig teilt und sich an kein Nummerierungssystem hält, selbst wenn es deshalb ein wenig schwierig sein sollte, etwas auf dem Stadtplan zu finden.
    Ich suchte 896a. Ich stand vor Nummer 165 und hatte noch viele, viele Umleitungen, Einkaufszentren, Unterführungen und weitere allgemeine Kümmernisse vor mir. Auf den Wildlederstiefeln bildete sich oben ein weißer Rand, und meine Füße brachten mich um. Und bis ich bei der Wohnung ankam, war das Zimmer vermutlich längst an einen bulgarischen Pianisten vermietet oder an das australische Wasserballteam oder so, oder ich würde mich (wie es mir in Harlesden passiert war) hinsetzen und erzählen müssen, was für Musik ich mochte. Take That hatte der Prüfung nicht standgehalten.
    Jedes Mal, wenn ich eine neue Gruppe von Reihenhäusern entdeckte, betrachtete ich sie mit glänzenden Augen. Allerdings in den meisten Fällen lediglich, um zu erkunden, ob darin wirklich jemand wohnte oder ob sie nicht nur zum Abriss bereitstanden. Während ich eine Bruchbude nach der anderen hinter mir zurückließ, seufzte ich jedes Mal erleichtert und hoffte, hinter dem nächsten Pfandleihhaus würde eine hübsche kleine Reihe weißer Stuckhäuser auf mich warten. Was aber nie der Fall war.
    65000 Jahre später wurde mir dann plötzlich klar, dass ich am Ziel war. Mein Mut sank, als ich die Mülltonne entdeckte, die den Eingang halb versperrte. Eine schmuddelige grüne Mülltonne, auf die jemand mit tropfender weißer Farbe FINGER WEG geschmiert hatte. Ich versuchte, das quietschende Eisentor aufzudrücken, das vor lauter Rost zur Unbeweglichkeit verdammt war. Tief durchatmen. Sechs Monate, sagte ich mir immer wieder. Sechs Monate, und dann konnte ich wieder in mein altes Leben zurück. Oder zu dem, was davon übrig geblieben war.
    Behutsam streckte ich die Hand aus, wobei mir auffiel, dass ich dringend mal wieder zur Maniküre musste. Na, das konnte ich wohl vergessen. Ein wenig Rost splitterte vom Tor ab. Ich fragte mich, ob ich jetzt wohl eine Tetanusspritze brauchte. Endlich stand ich vor dem Haus, vor diesem winzigen, schäbigen Vorgarten, aber ich zögerte. Ich hatte bei meinen Erkundungen so einige ziemlich üble Wohnungen zu Gesicht bekommen, diese jedoch würde wohl die bislang schlimmste werden. Ich wusste ja nicht einmal mehr genau, wo ich hier inzwischen gelandet war.
    »Kannst reinkommen – wir haben hier keinen Butler«, erklang eine Stimme mit amüsiertem Unterton. Mein Blick fiel auf die vier bröckelnden Stufen, die zur Haustür hochführten. Ich sah hinauf. Dort oben stand ein kräftiger Kerl mit einem völlig lächerlichen Schopf schwarzer Locken, der ihm bis über die Augen fiel – wie bei diesen zotteligen großen Hunden, die man manchmal sieht –, und schaute mich neugierig an.
    »Das sieht ein bisschen gefährlich aus«, rief ich. »Das Tor, meine ich.«
    Der Typ hingegen wirkte nicht im Geringsten gefährlich.
    »Ja, wissen wir. Das schreckt wenigstens die Crack-Dealer und Einbrecher ab. Hm, ich mache nur Spaß«, fügte er hastig und nicht sonderlich überzeugend hinzu, als er mein Gesicht sah. »Mit dir habe ich am Telefon gesprochen, oder? Wegen der Wohnung?«
    »Woher weißt du das denn?«,

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