Prada, Pumps und Babypuder
Modemaßstäbe setzt, muss man mit ein paar kritischen Blicken rechnen.
»Wollen wir hier rein?« Ich bleibe stehen. »Ist zwar nichts Besonderes, aber da wir nun mal schon davorstehen…«
»Von mir aus. Solange sie einen ordentlichen Drink mixen…« Danny drückt die schwere Glastür auf und geleitet mich hinein. Die Templeton Bar ist durch und durch beige: der Teppich, die Sessel, die Kellneruniformen. Die Bar ist voll mit Geschäftsleuten, aber beim Klavier ist noch ein Tisch frei.
»Den schnappen wir uns«, sage ich zu Danny – und halte abrupt inne.
Da ist Venetia. Sie sitzt in einer Ecke, ihr Haar glänzt unter der Lampe. Ein Mann im Anzug und eine schicke Frau sitzen bei ihr. Die beiden kenne ich nicht.
»Was ist denn?« Danny sieht mich erstaunt an. »Stimmt was nicht?«
»Da…« Ich schlucke und deute diskret in ihre Richtung. Danny folgt meinem Blick und atmet theatralisch ein.
»Ist das Cruella de Venetia?«
»Pssst!«
Aber es ist zu spät. Sie hat uns schon gesehen. Sie steht auf und kommt auf uns zu. So eine elegante Frau: mit ihrer schicken schwarzen Hose, den tollen Schuhen und dem perfekten Haar.
Es ist okay, sage ich mir. Ganz ruhig bleiben. Ich weiß auch nicht, warum mein Herz so hämmert und meine Hände so schwitzen.
Nun ja. Vielleicht, weil in meiner Tasche ein Ordner steckt, der zehn Bilder von Venetia enthält? Aber das weiß sie doch gar nicht.
»Becky!« Sie lächelt und küsst mich auf die Wangen. »Meine Lieblingspatientin. Wie geht es dir? Jetzt dauert es ja nicht mehr lang! Vier Wochen, oder?«
»Stimmt. Und… wie geht es dir,Venetia?« Meine Stimme ist brüchig und mein Gesicht feuerrot – abgesehen davon verhalte ich mich aber normal. »Das ist mein Freund Danny Kovitz.«
»Danny Kovitz.« Sie kennt den Namen. »Das ist mir aber eine Ehre. Ich habe kürzlich in Mailand ein Stück von Ihnen gekauft. In Corso Como. Eine perlenbesetzte Jacke.«
»Die!«, sagt Danny beflissen. »Die steht Ihnen bestimmt gut.«
Warum ist er denn so nett zu ihr? Er soll doch auf meiner Seite sein.
»Haben Sie die passende Hose auch gekauft? Es gab zwei Schnitte: Capri und Bootcut. Die Caprihosen würden an Ihnen bestimmt toll aussehen.«
»Nein, ich habe nur die Jacke gekauft«, lächelt sie. »Becky, es sieht aus, als ob dir unter… diesen Federn ziemlich heiß ist. Alles okay?«
»Alles prima!« Ich puste ein paar Federn weg, die an meinem Lippenstift festkleben. »Das ist Dannys neues Modekonzept.«
»Aha.« Venetia sieht die Gigantenboa skeptisch an. »Du solltest dich aber in der Schwangerschaft nicht überhitzen.«
Typisch. Sie kommandiert mich schon wieder herum. Mode ist ungesund. Aber mir ist wirklich ziemlich heiß, und deshalb nehme ich die Boa ab und ziehe den Mantel aus.
Komische Stille. Mir ist für einen Augenblick gar nicht klar, warum Venetia meine Brust anstarrt. Dann sinkt mein Magen in Richtung Fußsohlen.
Ich trage Dannys Shirt. Ich sehe an mir herunter, und da steht groß:
SiE iST EiNE ROTHAARiGE HEXE
und iCH HASSE SiE
Mist.
»Mir ist eigentlich doch ziemlich kalt!« Rasch wickle ich mir die Boa wieder um den Hals und versuche verzweifelt, den Schriftzug damit zu verdecken. »Brrr! Wie in einem Eisschrank! Ist es für die Jahreszeit nicht ziemlich kalt?«
»Was steht da?«, fragt Venetia mit merkwürdiger Stimme. »Auf deinem Shirt?«
»Nichts«, sage ich nervös. »Nichts! Das ist… ein Scherz! Ich meine, du bist damit natürlich nicht gemeint. Es geht um eine andere rothaarige Hexe. Äh… Frau. Person.«
Das läuft nicht gut.
»Gut gemacht, Becky«, flüstert Danny mir ins Ohr. »Sehr taktvoll.«
Venetia holt tief Luft. Sie sieht ziemlich gereizt aus, wenn ich das recht interpretiere.
»Becky?«, fragt sie schließlich. »Können wir uns mal kurz unterhalten?«
»Unterhalten?«, spreche ich ihr nach.
»Ja, nur wir beide. Allein miteinander sprechen.« Sie blickt zu Danny. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht?«
»Klar. Ich hole mal was zu trinken.« Danny verschwindet, und ich bin ganz wuschig im Kopf. Venetia hat eine Sorgenfalte im Gesicht und klopft mit den Fingernägeln gegen ihr Glas. Sie sieht aus wie eine junge, dynamische Schulleiterin, die der Klasse jeden Moment eine Standpauke halten wird.
»Also«, versuche ich es fröhlich. »Wie geht es dir?«
Sie kann keine Gedanken lesen, sage ich mir fieberhaft. Sie weiß nicht, dass du sie hast beschatten lassen. Sie kann nicht beweisen, dass sie mit dem T-Shirt gemeint ist. Leugne einfach
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