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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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auf ihre Wellenlänge zu gehen und ein paar Kleinigkeiten mitzukriegen. Am Abend vor ihrer Abreise hatte es ein wildes Streitgeschrei mit diesem Michael gegeben. Anscheinend hatte er nicht gewollt, dass Ros diese Reise machte. Egoistisch nannte er
sie und meinte, der Job wäre ihr wohl wichtiger als die Beziehung zu ihm. Und Ros hatte zurückgegeben, dass er der Egoist sei, weil er versuchte, sie vor die Wahl zwischen der Beziehung und ihrem Job zu stellen. Nach allem, was man so hörte, war es ihr schlimmster und vermutlich auch ihr letzter Krach gewesen.
    Männliche Menschenwesen, seufzte Bib stumm. Höhlenmenschen, das waren sie, mit ihren zerbrechlichen Egos und ihrem ständigen Konkurrenzdenken. Warum konnten sie sich nicht am Erfolg der weiblichen Wesen freuen? Bib liebte starke, erfolgreiche Frauen. Das bedeutete, dass er nicht zu schuften brauchte, und – hey! Was machte Ros denn da? Versuchte sie etwa, den schweren Koffer ganz allein hochzuhieven? Wenn sie sich dabei bloß nicht wehtat!
    Schnaufend manövrierten Ros und Bib den Koffer aufs Bett, und als sie ihn öffnete und in ihren Klamotten zu wühlen begann, merkte Bib, dass sie beim Packen wirklich ziemlich durcheinander gewesen sein musste. Auf der Erde gab es immer noch diese gemütliche, altmodische Einrichtung, die man Jahreszeiten nannte, und obwohl es in L. A. über dreißig Grad warm war, hatte Ros neben Sommersachen auch welche für Frühling, Herbst und Winter eingepackt. Eine Wollmütze – warum um Himmels willen hatte sie die mitgenommen? Und vier Pyjamas? Für eine dreitägige Reise? Und was machte sie jetzt?
    Aus einem Strumpfhosengewirr befreite Ros gerade zärtlich ein Foto. Mit ihren kleinen Händen strich sie Eselsohren und Knicke glatt und betrachtete das Bild liebevoll. Bib schlenderte zu ihr hinüber, um einen Blick darauf zu werfen – und wich erschrocken zurück. Er ließ sich sonst nie von Männern einschüchtern, aber er musste doch gestehen, dass der Kerl auf dem Foto sehr – und beunruhigend – attraktiv war. Nicht perfekt wie die Möchtegern Brads und Toms, sondern rauer und sexier. Er sah aus wie ein Typ,
der einen Power-Schraubenzieher besaß, wie einer, der ein Regal aufbauen und mit sechs anderen Männern um eine offene Kühlerhaube herumstehen und mit Autorität verkünden konnte: »Nein, Kumpel, es liegt an der Drehstromlichtmaschine, das sag ich dir.« Das, so schloss Bib mit einem nervösen Schlucken, das musste wohl Michael sein. Er hatte dunkle, lockige Wuschelhaare, ein unrasiertes Kinn, und seine Attraktivität wurde in keiner Weise durch die kleine Macke in einem Schneidezahn beeinträchtigt. Das Foto war offensichtlich im Freien gemacht worden, denn ein paar dichte Locken wehten ihm in die Stirn und halb in die Augen. Etwas an seiner Kopfhaltung und seinem zögerlichen Lächeln deutete darauf hin, dass er sich gerade abgewandt hatte, als Ros auf den Auslöser drückte. Richtige Männer posieren nicht für Fotos , sagte sein ganzes Auftreten. Sofort schämte sich Bib zutiefst dafür, dass er selbst immer so scharf darauf war, »Cheese« zu machen. Aber was konnte er schon dafür, dass er so unglaublich fotogen war?
    Lange, lange starrte Ros auf Michaels Bild. Als sie es endlich widerwillig weglegte, sah Bib voller Entsetzen eine einzelne Träne über ihre Wange rinnen. Er eilte zu ihr, um sie zu trösten, trat aber rasch zurück, als er merkte, dass das nicht notwendig war, weil sie sich für die Arbeit fertig machte. Ihr Herz brach – das konnte Bib spüren –, aber ihr Pflichtgefühl war völlig intakt. Seine Bewunderung für sie wuchs noch mehr. Zum Glück hatte Ros außer dem ganzen unnötigen Zeug auch ein hellgraues Kostüm eingepackt, und als sie sich für ihren Termin um acht hergerichtet hatte, machte sie einen sehr überzeugenden Eindruck. Natürlich wusste Bib trotzdem, dass sie sich wie eine Hochstaplerin fühlte und sicher war, dass man sie in der Firma auf den ersten Blick als Scharlatan entlarven würde, aber das war offensichtlich der Normalzustand bei Leuten, die vor kurzem befördert worden waren. Nach einer Weile würde es von selbst vorübergehen.
    Wegen ihres Mangels an Selbstvertrauen beschloss Bib, sie sicherheitshalber zu begleiten. So nahmen sie ein Taxi zum Hauptquartier von DangerChem auf dem Wilshire Boulevard, wo man Ros in einen Konferenzraum voller orangehäutiger Männer mit großen weißen Zähnen führte. Alle zerquetschten Ros’ kleine Hand mit ihren riesigen,

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