Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
fleischigen, manikürten Pranken und behaupteten, »apsolut, apsolut erfreut« zu sein, sie kennen zu lernen. Bib hasste es »apsolut, apsolut«, wie sie Ros begrapschten, und schaffte es, einen von ihnen zum Stolpern zu bringen. Und nicht etwa irgendeinen, sondern den Anführer. Bib wusste, dass es der Anführer war, weil sein Gesicht am orangesten war.
Dann hob sich Bibs Stimmung, denn ein paar Mädchen betraten den Sitzungssaal. Zuerst dachte er, sie wären auch Aliens, obwohl er nicht wusste, woher er sie hätte kennen können. Mit ihren unnatürlich verlängerten, knochigen Gliedmaßen und den Augen, die so weit auseinander lagen, dass sie fast seitlich am Kopf standen, ähnelten sie den Weibchen vom Planeten Pfeiff. Aber als er versuchte, sich mit ihnen in deren Sprache zu unterhalten (er kannte nur ein paar Sätze – »Bei dir oder bei mir?«, und »Wenn ich sagen würde, du hast einen wunderschönen Körper, würdest du mir das übel nehmen?«), reagierten sie nicht. Eine von ihnen hieß Tiffany, die andere Shannen, und sie hatten beide den gelbhaarigen, gelbhäutigen Look, den er bei der Mädchenart so ungemein anziehend fand.
Das Meeting lief hervorragend; sowohl die orangehäutigen Männer als auch die gelben Mädchen hörten Ros aufmerksam zu, während sie ihnen ein Angebot für verschiedene Produkte ihrer Firma unterbreitete. Als sie sagten, der Preis, den sie zahlen wollte, sei viel zu niedrig, konnte sie verhindern, dass ihre Stimme zitterte, und sie teilte ihnen ohne Stocken die Preise der Konkurrenzunternehmen mit, die allesamt geringer waren. Bib wäre vor Stolz beinahe geplatzt.
Als sie Mittagspause machten, sah Bib mit Interesse zu, wie Tiffany ihre Gabel auf einem purpurroten Radicchioblatt über ihren Teller Schlittschuh laufen ließ. Ein paar Mal hob sie das Blatt mit der Gabel hoch und ließ es in unmittelbarer Nähe ihres Munds verharren, ehe sie es wieder ablegte. Offenbar war das eine Art Pantomime, aber Bib fand es irgendwie nicht richtig und wandte seine Aufmerksamkeit stattdessen Shannen zu. Sie piekte ihren Radicchio auf die Gabel und steckte gelegentlich etwas davon in den Mund. Das gefiel ihm schon besser, und er kam zu dem Schluss, dass er Shannen lieber mochte. Als sie sagte: »Ich muss mal zur Toilette«, sprang Bib deshalb auf und sauste schnell wie der Blitz hinter ihr her.
Er hätte es wirklich gehasst, wenn man ihn als Voyeur bezeichnet hätte. Er bezeichnete sich lieber als ein Wesen, das ein Talent dafür hatte, die Gelegenheiten, die das Leben ihm bot, beim Schopf zu packen und das Beste aus ihnen herauszuholen. Er nutzte eben seine Chancen und die Tatsache, dass er unsichtbar war.
Aber diesmal geschah etwas Seltsames. Er folgte Shannen in die Kabine, und allem Anschein nach war ihr schlecht. Nein, nein, Moment mal – sie brachte sich dazu, dass ihr schlecht wurde, indem sie sich den Finger in den Hals steckte. Danach putzte sie sich sorgfältig die Zähne, zog ihren Lippenstift nach und schien sich richtig zu freuen! Bisher hatte sich Bib immer für ein Wesen von universeller Bildung gehalten, aber das war das Ungewöhnlichste, was er je gesehen hatte.
Man müsste mich eigentlich für den Oscar nominieren, dachte Ros, als sie zum letzten Mal an diesem Tag eine Hand schüttelte. Sie hatte an diesem Konferenztisch die darstellerische Glanzleistung ihres Lebens erbracht. Aber sie war vor allem stolz darauf, dass sie sich überhaupt hierher getraut hatte. Sie war ziemlich
überrascht, dass sie es trotz des Jetlag und der bleischweren Traurigkeit wegen Michael überhaupt geschafft hatte, sich anzuziehen – und dann auch noch erfolgreich über Fixkosten und Bestellrabatte zu diskutieren.
Doch als sie in ihr Hotel zurückkam, musste sie ihre zerbrechliche gute Laune unbedingt dadurch zerstören, dass sie einen nicht ganz waschechten Ralph Fiennes fragte, ob jemand für sie angerufen hatte. Ralph schüttelte den Kopf. »Sind Sie sicher?«, fragte sie, und ihre Verzweiflung hing über ihrem Kopf wie ein Neonschild. Leider war Ralph absolut sicher.
Mühsam nahm sich Ros zusammen und stolperte zu ihrem Zimmer und keine Macht des Universums – nicht einmal eine vom Planeten Duch – hätte sie davon abhalten können, Michael anzurufen.
»Entschuldige«, sagte sie, als er abhob. »Hast du geschlafen?«
»Nein«, antwortete Michael, und Ros’ müder Geist schöpfte sofort wieder Hoffnung. Wenn er um zwei Uhr früh noch wach war, dann konnte er nicht allzu
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