Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
Mühe, mitzukommen und verhedderte sich mehrmals mit seinen sechs Beinen.
Mitten in der Nacht wachte Ros auf, und von dem Hochgefühl und der Freude des vorhergehenden Abends war nichts mehr zu spüren. Sie fühlte sich alt, ängstlich und einsam. Ohne Michael würde sie nichts auf die Reihe kriegen, sie wollte nicht ohne ihn leben.
Aber dann fiel ihr das Inliner-Fahren wieder ein. Normalerweise war sie nicht abenteuerlustig, normalerweise brauchte sie Michael, wenn sie etwas Neues ausprobierte. Aber das Inlineskaten hatte sie ganz allein angefangen, und das war eine Art Trost.
»Ich bin eine Frau, die allein Inliner fährt«, wiederholte sie so lange, bis sie irgendwann wieder einschlief. Dann wachte sie auf, zog sich an und ging zur Arbeit, wobei sie sich vage bewusst
war, dass sie eine neue Festigkeit in sich spürte, eine wachsende Stärke.
Als sie gegen Abend zurückkam – erschöpft, aber stolz, weil sie erneut ihre Stellung behauptet und langsam, aber sicher, einen Deal ausgehandelt hatte –, traf sie Brad Pitt in der Hotellobby. Anscheinend war auch er gerade mit der Arbeit fertig.
»Hatten Sie einen schönen Tag?«, fragte er.
Ros nickte höflich.
»Was machen Sie eigentlich beruflich?«, erkundigte sich Brad.
Ros überlegte. Sie fand diese Frage immer unangenehm. Wie sollte sie angemessen erklären, dass sie für eine Firma arbeitete, die Mobiltoiletten herstellte? Eine sehr erfolgreiche Firma, wohlgemerkt.
»Wir, äh, wir sind in der Versorgung tätig.« Na ja, warum sollte sie eigentlich ein Blatt vor den Mund nehmen? Die Amerikaner waren doch immerhin diejenigen, die zu einem Klo »restroom«, also Ruhezimmer sagten!
»Kümmern Sie sich auch um die Versorgung der Leute auf den Filmsets?« Brad ließ sich keine Gelegenheit durch die Lappen gehen. Die Tür zu seiner Karriere konnte sich überall öffnen – er hatte beispielsweise einmal den Regisseur von Buffy, die Vampirjägerin im Wartezimmer seiner Fußpflegerin gesehen, und war auch schon von hinten auf Aaron Spellings Beemer geknallt –, deshalb war er immer auf alle Eventualitäten vorbereitet.
»Ja, auch das«, antwortete Ros mit Überzeugung.
Wie ein Blitz erleuchtete Brads Glühbirnenlächeln sein Gesicht, und er schwebte näher. »Hey, ich bin übrigens Bryce«, murmelte er. »Würden Sie mir die Ehre erweisen, heute Abend mit mir etwas trinken zu gehen?«
Ein attraktiver junger Mann lud sie zu einem Drink ein! Wenn nicht mal ein solches Angebot sie aufheiterte, bestand wohl überhaupt
keine Chance mehr, dass es ihr jemals besser ging. Aber als sich in ihrem Mund gerade schon die Worte für eine Ablehnung formten, merkte Ros, dass sie plötzlich innehielt. Wäre ein Drink mit diesem Mann nicht besser, als den ganzen Abend allein in ihrem Zimmer zu hocken und zu warten, dass das Telefon klingelte?
»Okay«, sagte sie schwach.
Bryce machte ein überraschtes Gesicht, denn für gewöhnlich reagierten Frauen nicht so verhalten, wenn er sie einlud, etwas mit ihm zu unternehmen. Dann schnippte er mit den Fingern. »Oh, ich weiß. Sie sind Engländerin, stimmt’s? Sie sind apsolut superbritisch, richtig? Find ich super! Gut, wir treffen uns dann um halb sieben in der Lobby.« Damit strich er sich über die Haare und verschwand.
In ihrem Zimmer kontrollierte Ros das Telefon, nahm den Hörer ab, wählte aber Michaels Nummer nicht, obwohl sie vor Anstrengung zitterte. Schließlich riss sie sich los und zwang sich, unter die Dusche zu gehen. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Sie sollte es jedenfalls versuchen, immerhin sah dieser Bryce echt toll aus.
Sie schaffte es sogar, sich aus dem Klamottenhaufen auf ihrem Bett etwas Nettes zum Anziehen herauszusuchen. Ein kurzes – aber nicht zu kurzes – schwarzes Kleid, ein paar schwarze Sandalen mit hohen – aber nicht zu hohen – Absätzen. Doch als sie sich im Spiegel betrachtete, kam es ihr vor, als sähe sie eine Fremde. Wer war dieses Single-Mädchen, das ein Date mit einem Mann hatte, der nicht Michael war?
Als sich die Lifttüren öffneten, wartete Bryce bereits in der Lobby – die sonnengebleichten Haare glänzten auf seiner goldenen Stirn, seine weißen Zähne strahlten in einem Blitzlichtlächeln. Ros’ Laune stieg Stück für Stück. Vielleicht war alles gar nicht so übel. Auf dem Weg zu seinem Auto beobachtete sie, wie sich Bryce,
als sie am Fenster vorbeikamen, die Haare zurechtzupfte, aber sie tat lieber so, als hätte sie es nicht
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