Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
soll Sie von ihr grüßen.«
»Danke, ebenfalls«, erwiderte ich.
Pause. »Sie sagt, Sie hätten Schwierigkeiten in Ihrer Beziehung.«
Ich hatte keine, und diesmal nahm ich auch kein Blatt vor den Mund, um Angela eine Blamage zu ersparen.
»Sie haben keine Beziehungsprobleme? Da können Sie aber echt von Glück sagen. Na ja, wahrscheinlich kriegen Sie bald welche, mit dem Timing nehmen es die Toten nicht immer so genau. Katie erzählt gerade, dass Sie an einen Umzug denken.«
Das stimmte auch nicht, und ich teilte es Angela mit.
»Tut mir Leid, da hab ich mich wohl verhört. Jetzt sagt sie, dass Sie in Erwägung ziehen, den Job zu wechseln.«
Nein.
»Sie machen sich Sorgen um ein Familienmitglied. Gesundheitliche Probleme.«
Nein.
»Ach nein, Sie haben gesundheitliche Probleme.«
Nein. Nicht wirklich. Abgesehen von den Ohrenentzündungen, die mich jeden Donnerstag heimsuchen.
»Ja, was ist denn dann Ihr Problem?« Angelas Ton sagte eher: Was zum Teufel haben Sie denn überhaupt für Probleme?
Ja, was hatte ich denn für Probleme? Angst, dass ich nicht fähig sein würde, mein nächstes Buch zu schreiben, Angst, dass alle mein derzeitiges schlecht finden würden, Angst, öffentlich zu sprechen, Angst, jemanden zu verärgern, Angst, nein zu sagen, Angst, in den Spiegel zu schauen, Angst, dass alle Sandalen in Größe 36 ausverkauft waren, ehe ich Zeit zum Shoppen hatte. Sie wissen schon, das Übliche . Wie sollte ich es auf den Punkt bringen? »Manchmal hab ich das Gefühl, dass ich einfach nicht zurechtkomme.«
Angela holte einmal tief Luft und jaulte: »Sie haben also das Gefühl, Sie kommen nicht zurecht? Vielleicht sollten Sie mal in meine Haut schlüpfen. Ich habe keinen freien Tag, keinen einzigen in den nächsten anderthalb Monaten. Ich bin total ausgebucht mit Beratungsgesprächen, eins nach dem anderen, und dann werde ich ständig gefragt, ob ich im Fernsehen auftreten will, man dreht nämlich eine Dokumentation über mich – hab ich Ihnen das schon erzählt? Eine Filmcrew wird mich eine Woche lang begleiten, dann hab ich die Veranstaltungen in Dublin, und dafür hab ich endlos viele Fernsehtermine und muss mit Journalisten sprechen und komme ins Radio. Und da wollen Sie mir was davon erzählen, Sie kommen nicht zurecht?«
Sie sagte das mit stolzgeschwellter Brust. Sie liebte den Stress. Sie liebte ihn. Das berauschende Gefühl, ein ausgebuchtes, gefragtes Medium zu sein, war ihr offenbar mächtig zu Kopf gestiegen.
»Lassen Sie sich einen Termin für eine Massage geben, atmen Sie öfter mal tief durch und denken Sie hin und wieder daran, wie es mir geht, Mädchen«, lautete ihr guter Rat.
Unterdessen war es neunzehn Uhr vierundzwanzig. »Es kommen keine weiteren Botschaften für Sie an. Dann mal tschüss. Und vergessen Sie nicht, allen zu sagen, sie sollen zu meiner Veranstaltung kommen!«
Zwei Monate später trat sie live in Dublin auf und erhielt eine Menge Publicity. Ich sah sie im Fernsehen, sie hatte ein Reading für eine Moderatorin im Frühstücksfernsehen gemacht. Und die Moderatorin starrte in die Kamera und psalmodierte feierlich: »Diese Frau ist erstaunlich. In einer Welt, in der es von Scharlatanen und Bauernfängern nur so wimmelt, kann ich Ihnen eins versichern: Sie ist absolut authentisch!«
Bisher unveröffentlicht.
UNTERWEGS
Ein Pass zum Verreisen
Vor vielen Jahren lebte ich in London und wollte zum ersten Mal nach New York reisen. Vier Monate zuvor war meine Schwester dorthin gezogen, und ich hatte vor, Weihnachten mit ihr zu verbringen. Drei Tage vor meiner Abreise begann ich zu packen, doch als ich in meiner Dokumentenschublade nach meinem Pass fahndete, war er nirgends zu finden. Das konnte überhaupt nicht sein! Seit ich ihn das letzte Mal benutzt hatte – anlässlich einer Griechenlandreise im vergangenen Sommer –, hatte er friedlich hier geruht. Ich wühlte mich durch Rechnungen und anderes Zeug, in der Erwartung, den Pass jeden Moment zu entdecken, und als das nicht passierte, kippte ich kurzerhand den gesamten Inhalt aus der Schublade und ging systematisch eins nach dem andern durch – nada. Jetzt wurde mein Mund ein bisschen trocken, und mein Puls beschleunigte sich, aber ich redete mir gut zu, dass sich der Pass ja nicht in Luft aufgelöst haben konnte. Ich war nur vorübergehend mit Blindheit geschlagen – hatte meine Mutter mir nicht schon immer gesagt, dass ich nicht mal das Wasser im Fluss finden könne?
Aber wenn er nicht einfach
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