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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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gnadenlosen Neonröhren, dazu ein Tresen mit vier gläsernen Schaltern. Ich zog eine Nummer: 792. Wann würde ich wohl dran sein? Suchend blickte ich mich nach der Anzeige um, und da stand auch tatsächlich in höllisch roten Ziffern, dass als Nächstes die Nummer 23 an der Reihe war. Vor lauter Panik wäre mir fast das Herz aus der Brust gesprungen. Ich würde hier eine Ewigkeit verbringen! Aber kein Mensch war zu sehen, weder im Wartebereich noch an den Schaltern …
    Doch dann erschien aus einem versteckten Hinterzimmer unerwartet ein rundlicher junger Mann, trat hinter einen Schalter, blickte mich an und verkündete: »Der Nächste, bitte!«
    Verwirrt betrachtete ich mein Ticket.
    »Der Nächste!«, wiederholte der junge Mann.
    »Aber …« Ich wedelte nervös mit meinem Zettelchen.
    »Ach, mit dem Zeug geben wir uns nicht ab.«
    Umso besser. Ich trat vor und platzte mit meiner tragischen Mär vom verschwundenen Pass und dem preisgünstigen, nicht rückerstattbaren, nicht veränderbaren Ticket heraus, mit meiner einsamen Schwester, die ihr erstes Weihnachten in New York nun womöglich mutterseelenallein verbringen musste, und der junge Mann hörte mir zu, auf einen Ellbogen gestützt, und nickte mitfühlend. »Verstehe, verstehe. Haben Sie ein Sofa?«
    Völlig ratlos verstummte ich. Was meinte er damit? Wollte er mir Möbel verkaufen?
    »Wissen Sie, Sie würden nie glauben, was alles in einem Couchritz verschwinden kann.«
    »Da hab ich aber nachgeschaut!«
    »Wirklich gründlich ?«, beharrte er. »Haben Sie die Hand reingesteckt?« Zur Veranschaulichung vollführte er vor meiner Nase mit der Hand wellenartige Bewegungen. »So?«
    Ja, beteuerte ich. Ja, das hatte ich. Und er brummte vor sich hin: »Hat den Couchritz gründlich durchsucht«, und schien dabei etwas auf einem Papier anzukreuzen, aber das lag so seitlich hinter dem Glas, dass ich es nicht genau sehen konnte.
    »Okay. Haben Sie Schubladen?«
    Wie bitte?
    »Schreibtischschubladen«, führte er aus. »Manche haben einen Federmechanismus, und Sie würden staunen, was sich darin alles verhakt. Die müssen Sie ordentlich durchschütteln.«
    Ich versicherte, dass ich es getan hatte, obwohl die Schubladen in meiner Melamin-Kommode keinen derartigen Mechanismus besaßen. Aber inzwischen stieg mein Panikpegel wieder deutlich an und drohte mir den Atem zu rauben.
    »Hat Schreibtischschublade durchgeschüttelt«, sagte der junge Mann und schien wieder etwas auf dem Papier anzukreuzen.
    »Und haben Sie auch zum Heiligen Antonius gebetet?« (Gott ist mein Zeuge, ich hab das nicht erfunden.)
    Ich räumte widerstrebend ein, dass ich das nicht persönlich getan hatte, und er schien schon sagen zu wollen, ich solle wieder gehen und erst mal richtig beten, ehe ich mich wieder hertraute, aber da holte ich meine Trumpfkarte aus dem Ärmel. Meine Mutter betete rund um die Uhr!
    »Ach ja?« Er studierte mich aufmerksam.
    »Rund um die Uhr«, keuchte ich atemlos. »Das kann ich beschwören.«
    »Na gut«, seufzte er. »Wenn zum Heiligen Antonius gebetet wurde und der Pass immer noch nicht wieder aufgetaucht ist, dann ist er wirklich verloren.« Eine Armbewegung folgte, wahrscheinlich das letzte Häkchen auf seinem Papier. »Dann stellen wir wohl besser einen neuen Pass für Sie aus.«
    Ich schob mein dickes Dokumentenbündel unter dem Glasschalter durch – das Antragsformular, die Fotos, die Geburtsurkunde (von der ich seltsamerweise eine Kopie im Büro gefunden hatte) und Fotokopien der Flugtickets. Zu Letzteren hatte Charlotte mir geraten, für den Fall, dass ich Überzeugungsarbeit für die Dringlichkeit meines Anliegens leisten musste. »Nicht sehr schmeichelhaft, die Fotos«, bemerkte der junge Mann. »Na ja, das sind sie ja nie. Gut, ist alles in Ordnung. Jetzt müssen Sie nur noch bezahlen.«
    »Hier, bitteschön.« Ich schob ihm dreißig Pfund hin (die Charlotte mir geliehen hatte, weil ich mein ganzes übriges Bargeld gegen Travellerschecks eingetauscht hatte, die auf ihren Einsatz in der Zara-Filiale 59th Street und Lexington warteten.)
    »Sie müssen an der Kasse zahlen. Am nächsten Schalter.« Er schob das Bündel unter dem Glas her zu mir zurück, und ich machte drei Schritte nach links zum nächsten Schalter, auf dem »Kasse« stand. Gleichzeitig mit mir machte der junge Mann drei Schritte nach rechts. Einen Augenblick lang beäugten wir einander durch das neue Glas, und er sagte (und ich glaube, nein, ich hoffe, dass er es witzig meinte): »Kann ich

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