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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Isolation und hat erst in jüngster Zeit seine Grenzen geöffnet. Es besteht ganz aus Wald, Bergen, einspurigen Straßen, jäh abfallenden Tälern und Menschen in lustiger – verpflichtend vorgeschriebener – Nationalkleidung. (Die Männer müssen Kniestrümpfe mit Argylemuster und übergroße Bademäntel tragen, die über einen Gürtel hochgezogen werden, sodass ein bezaubernder Blousoneffekt entsteht. Sehen Sie im Internet nach, wenn Sie mir nicht glauben wollen.)
    Ich dachte immer, Bhutan an sich wäre faszinierend, und das war es auch, aber erst nach meiner Ankunft wurde mir klar, dass der Hauptgrund, warum die Menschen das Land besuchen, im »Trekking« zu suchen ist.
    Trekking. Schon das Wort nervt mich. »Rambling« ist auch so eines. Dabei geht es doch schlicht ums Wandern, und wenn man ein schickes Wort dafür erfindet, ändert das auch nichts daran. Der Punkt ist, dass Sport und ich uns nie wirklich nahe gekommen sind. (Ich mache Yoga. Ungefähr einmal im Jahr.) Das Gleiche gilt für die freie Natur. Wenn ich die dreißig Meter vom Parkplatz zu einem Laden zurücklege, kriege ich manchmal schon Ohrenschmerzen. Wenn ich Urlaub mache, schaltet mein ansonsten eher
ruhiges Leben noch ein paar Gänge zurück, bis ich praktisch tot bin.
    Aber nach einer Woche buddhistischer Tempel war ich reif für eine Abwechslung, und als unser Führer »einen netten kleinen Spaziergang« vorschlug, blickte mein Herzallerliebster mich mit verzweifelten, flehenden Augen an, und ich war überredet.
    »Aber Sie brauchen flache Schuhe«, sagte der Führer mit einem Blick auf meine Stiefel.
    »Die sind doch flach«, entgegnete ich. Die Absätze waren nur sechs Zentimeter hoch, was gab’s daran auszusetzen?
    Er drückte mir einen »Wanderstock« aus gebürstetem Stahl und Latex in die Hand, und dann machten wir drei uns auf den Weg. Es ging viel mehr bergauf, als man mich glauben gemacht hatte, aber die Kombination aus den Fichten, dem klaren blauen Himmel, den hinreißenden Ausblicken, dem in meinen Adern rauschenden Blut, meinem pochenden Herzen und der Tatsache, dass die Luft exakt wie Fanta roch, führte dazu, dass ich auf einmal wusste, worum es ging. Ich fühlte mich großartig.
    Wir machten Rast bei einem buddhistischen Kloster aus dem siebten Jahrhundert, wo wir einen Mönch kennen lernten, der auf geradezu unheimliche Weise aussah wie Showmaster Graham Norton mit orangefarbenem Make-up und roter Robe. Passenderweise »segnete« er mich mit einem fünfundvierzig Zentimeter großen Phallus, der ohne Weiteres aus dem Sexshop hätte stammen können, anscheinend aber ein antikes Artefakt war. Erst da begriff ich, dass Leute aus aller Welt zu diesem Kloster kommen, um schwanger zu werden. Ich bekam nicht die Deluxe-Fruchtbarkeitsbehandlung, an der mehrere Mönche beteiligt sind, bei der Lieder gesungen und Dinge verbrannt werden, aber trotzdem – ich sag Ihnen Bescheid, falls ich schwanger werde.
    Dann gingen wir weiter durch den einsamen Wald, kamen an einer
dreihundertjährigen Stupa vorbei (einer Art heiligem Schrein) und ich wäre vor Schreck fast gestorben, als ich ein kleines Mädchen entdeckte, dass in einer der Vertiefungen des Heiligtums saß und an etwas knabberte, was aussah wie eine Panflöte.
    Endlich erreichten wir den Gipfel, und das Hochgefühl, das uns ergriff, war unbeschreiblich.
    Überglücklich lehnte ich auf meinem Stock, blickte hinab ins Tal und kam mir vor wie Sir Edmund Hillary, Bezwinger des Mount Everest.
    Es war für mich ein Augenblick der Erleuchtung: Ich kann etwas ganz Neues ausprobieren. Ich kann mich verändern. Ich kann Wanderer werden. Bergsteigerin. Was auch immer mir besser gefällt. Ich werde mir einen Stock kaufen. Und richtige flache Wanderstiefel. Dann hätte ich ein »Hobby«, ein »Interesse«. Wenn mich bisher jemand nach meinen »Interessen« gefragt hätte, wäre meine Antwort gewesen: »Handtaschen, Kitkats, Dermot O’Leary.«
    Eine neue, aufregende Zukunft erstreckte sich vor mir. Ich würde stark, sehnig und gertenschlank werden. (In meiner Vorstellung ähnelte ich schon ein bisschen der Marathonläuferin Paula Radcliffe.) Im Urlaub würde ich nur noch mit dem Rucksack voller proteinhaltiger Kraftriegel losziehen, um die Anden zu besteigen oder etwas ähnlich Anspruchsvolles. Möglicherweise würde ich mir sogar ein paar Fingerspitzen abfrieren, und alle würden mich toll finden. Die Leute würden mich fragen, warum ich die höchsten Berggipfel der Welt erklomm (inzwischen

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