Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
hielt und mit ihrem winzigen Händchen seinen Kopf stützte. Dann, nachdem sie noch einmal beruhigend seine Stirn berührt hatte, entschwebte sie wieder, mit dem Versprechen, ihn bald wieder zu besuchen.
Drei Stunden später war bereits eine deutliche Verbesserung eingetreten. Herzallerliebster fläzte im Bett, glotzte CNN, rauchte übellaunig (das war noch bevor er es aufgab – das Rauchen, nicht die üble Laune) und machte insgesamt den Eindruck, als sei er auf dem besten Weg zur baldigen Genesung. Dann klingelte es an der Tür. »Das ist sie!«
Sofort setzte er sich kerzengerade im Bett auf, knipste den Fernseher aus und versuchte, die Rauchschwaden wegzuwedeln. Dann arrangierte er sich wieder in seinen Kissen und versuchte gebrechlich und bedauernswert auszusehen.
Lächelnd trippelte sie herein, und es gab eine Wiederholung des Kopfstützens und Handhaltens, aber als sie verkündete, sie werde später noch einmal vorbeischauen, kam ich meinem Herzallerliebsten zuvor. »Es geht ihm blendend!«
»Aber …« (stammelte mein Herzallerliebster.)
»Es geht dir blendend«, erklärte ich ihm und wandte mich erneut an die exotische Schöne. »Es geht ihm blendend.«
Sehen Sie, ich bin schrecklich. Konnte ich ihn nicht einfach mal für eine Weile das Kranksein genießen lassen? Schließlich passiert es doch so selten. Was mich auf einen ganz wichtigen Punkt bringt: Es gibt die Legende, dass Männer stoisch sind. Aber eigentlich sind sie überhaupt nicht stoisch. Männer sind gesund . Frauen werden oft krank, deshalb fühlen wir uns wohl dabei. Aber Männer haben überhaupt keine Übung darin, deshalb veranstalten sie ein Mordstheater, wenn sie dann doch mal krank werden.
Wie damals, als mein Vater ins Krankenhaus kam, um eine neue Hüfte zu kriegen. Das ist eine ziemlich unkomplizierte Operation, auch wenn sie sich ganz schön grausig anhört – die Patienten sind bei Bewusstsein, sodass sie hören können, wie ihre Knochen durchgesägt werden. (Während ich das aufschreibe, piekt und sticht es mich sofort in der Hüfte.) Natürlich war Dad nicht in bester Verfassung, bevor er ins Krankenhaus ging, und er brüllte Tadhg an, er solle sich unterstehen, mit seinem (Dads) Auto zu fahren, während er (Dad) eingesperrt war. (Tadhg hatte gerade erst fahren gelernt und gondelte in einer verbeulten Rostlaube durch die Gegend, sozusagen der vierrädrigen Version meines Immunsystems. Er hatte sich darauf gefreut, in Dads funkelndem Prachtschlitten rumzukutschieren, aber Dad hatte schreckliche Angst, dass der Junge den Prachtschlitten mit seiner unverantwortlichen Raserei zu Schrott fahren würde.)
Jedenfalls wurde Dad operiert. Zu unserer Erleichterung lief alles gut, und er erholte sich prächtig. (Wir hatten beschlossen, es würde ihm nicht gut tun zu erfahren, dass Tadhg das Versteck der Autoschlüssel gefunden hatte und jetzt in dem Prachtstück durch ganz Dublin promenierte.) Aber am folgenden Tag, als mein Herzallerliebster
und ich Mammy Keyes abholen wollten, um Dad zu besuchen, sah Mammy aschfahl aus.
»Was ist los?«
Ihre Antwort traf mich mitten ins Herz. »Der Zustand deines Vaters hat sich dramatisch verschlechtert. Die Lage ist ernst. Er will einen Anwalt sehen, um sein Testament zu ändern.«
Mit tauben Lippen stieß ich hervor: »Wo sollen wir denn auf die Schnelle einen Anwalt herkriegen?«
»Wie wäre es mit Eileen?«
Eileen ist meine Freundin. Sie ist tatsächlich Anwältin, aber sie arbeitet für gewöhnlich an riesigen, millionenschweren Firmenfusionen, nicht an kleinen Privattestamenten. Trotzdem wählte ich mit zitternden Fingern ihre Nummer – sie war natürlich auf einem Meeting –, dann rasten wir wie die Verrückten zur Klinik, rannten die Treppen hinauf und den Korridor zu Dads Zimmer entlang, aber als wir uns dem Raum näherten, wurden unsere Schritte immer langsamer und schließlich blieben wir ganz stehen. Wir hatten Angst, zu ihm reinzugehen. Was, wenn er schon tot war? Doch die Tür war nur angelehnt und ging auf, als ich vorsichtig mit dem Finger dagegentippte. Ich schluckte schwer und zwang mich einzutreten. Und da war er – aufrecht im Bett sitzend. Nicht tot. Kein bisschen.
Nein, statt tot zu sein, verdrückte er gerade eine gigantische Mahlzeit – verschwommen nahm ich Berge von Kartoffelpüree, irgendwelche Fleischstücke und eine Ladung Erbsen wahr.
Was zum …?
»Dad«, sagte ich, fast zornig. »Wir dachten, du liegst im Sterben!«
»Ach ja, richtig«, kicherte
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