Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
schon schwieriger wird, wenn es um einen verdrehten Hoden geht.
Wenn ich viel zu tun habe und gestresst bin und erfahre, dass ein Freund oder ein Mitglied der Familie mit Grippe im Bett liegt, dann denke ich immer: »Gott, so ein Glückspilz.« Wissen Sie, ich denke nur daran, wie schön es ist, im Bett zu liegen und Käsetoast gebracht zu bekommen. Dass man sich dann auch scheußlich fühlt, vergesse ich prinzipiell, bis es mir tatsächlich passiert.
Und dann tut es mir furchtbar Leid. Ich fühle mich nicht gern grauenhaft, nicht die Bohne, und wenn es mir am Nachmittag des zweiten Tages noch nicht besser geht, fangen die Alarmglocken an zu klingeln und eine kleine Stimme in meinem Kopf flüstert: Da stimmt was nicht … Das ist keine normale Grippe, denke ich. Das muss was Schlimmeres sein. Vielleicht eine Lungenentzündung. Oder TB. Oder die Cholera. Und wenn sie nicht erkannt wird, sterbe ich womöglich … (Sehen Sie, ich hab’s Ihnen ja gesagt – die Dramenkönigin.)
Wenn ich versuche, mit meinem Herzallerliebsten über meine Choleraängste zu sprechen, lacht er nur und sagt, ich soll gefälligst Vernunft annehmen. Mein Herzallerliebster wird nämlich nie krank, müssen Sie wissen. Und wenn doch, dann reagiere ich ganz übel darauf. Man sollte doch denken, nachdem er für mich ständig die ganzen Treppen rauf und runter gerannt ist und mir Käsetoast gebracht hat, bin ich bereit, ihm ebenfalls einen Gefallen zu erweisen. Aber nichts dergleichen. Ich hasse es, wenn es ihm nicht gut geht, weil es nicht zu der Aufteilung von Eigenschaften passt, die wir ausgehandelt haben. Ich werde krank, er repariert Sachen; ich pappe schwarzes Weingummi über meine Zähne und tue so, als wäre ich ein siebzigjähriger Bauer, der mit einer Achtzehnjährigen plaudert, er mäht den Rasen. Wenn er anfängt, in meinem Territorium
zu wildern, und plötzlich irgendwelche Viren einfängt, besteht die Gefahr, dass ich mich auf seines begeben und anfangen muss, mich nützlich zu machen.
Bei den seltenen Gelegenheiten, wenn er tatsächlich einmal darniederliegt, schalte ich sofort auf blinde Abwehr. Warten Sie, bis ich Ihnen erzähle, wie gemein ich bin. Wir machten Urlaub in einer wunderschönen Ferienanlage in Thailand, und er zog sich eine Lebensmittelvergiftung zu. (Es war ein bisschen komisch, denn in Bangkok und sogar in Vietnam haben wir an den Straßenbuden gegessen, ohne dass es uns im Geringsten schadete, und jetzt, in diesem Schicki-Micki-Ding musste er sich unbedingt vergiften.) Jedenfalls wachten wir eines Morgens auf, er schwitzte, sein Gesicht war ganz grau, und er hatte schreckliche Magenschmerzen. Als Erstes erklärte ich ihm, dass er jetzt endlich wüsste, was Frauen jeden Monat durchmachen. Dann fragte ich (sarkastisch natürlich), ob ich einen Arzt rufen sollte, und bekam einen Höllenschreck, als er ja sagte. Sofort war mir klar, dass die Sache todernst sein musste, denn Männer gehen sonst bekanntlich nie zum Arzt. Selbst wenn ihnen ein Bein abfällt, sagen sie: »Ach, mir geht’s blendend, ich konnte sowieso nie was mit dem Ding anfangen.« Und wenn man weiter in sie dringt, kriegt man zu hören: »Ach, lass mich doch um Himmels willen in Ruhe, mir geht’s GUT. Hör endlich auf, mir auf die Nerven zu fallen. Es ist schließlich nur ein Bein, okay?«
Ich stürzte also zum Empfangstresen, und obgleich es am Ort keinen Arzt gab, stand wenigstens eine Krankenschwester zur Verfügung. Man versprach mir, sie würde in zehn Minuten bei uns sein.
Tatsächlich klingelte es zehn Minuten später an unserer Tür, und als ich öffnete, stand vor mir eine mandeläugige, blumengesichtige Schönheit. Die Schwester.
Sie sah aus wie eine Schwester aus einem Pornofim: Eine winzige kurze Uniform und ein albernes kleines Käppchen auf den langen, wallenden, blauschwarzen Haaren. So trippelte sie zu meinem Herzallerliebsten hinüber, nahm seine Pranke in ihre winzigen weichen Händchen und flüsterte mit sanfter Stimme: »Ich sorge schon dafür, dass es Ihnen gleich viel besser geht.«
Er sah sie an, starr vor Bewunderung, als wäre sie eine Art Engel, während ich die Szene mit säuerlichem Gesicht von der Tür aus beobachtete. Aus dem zierlichen Täschchen, das sie bei sich trug (und das für mich aussah wie ein Stripperutensil), fischte sie alle möglichen tollen Sachen heraus – Schmerztabletten, Antibiotika, Hydrierungsmittel und Entgifter, die sie ihm einzunehmen half, indem sie ihm ein Glas Wasser an den Mund
Weitere Kostenlose Bücher