Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
von den gleichen Selbstwertproblemen heimgesucht werden, aber es gibt eine Menge Dinge an mir, die wirklich nicht stimmen. Angefangen mit – verrückten Ohren. Manchmal beklagen sich Leute über abstehende Ohren. Eine gute Freundin von mir (seit jeher eine Schönheit, und das wird sie auch bis in alle Ewigkeit bleiben) hatte mit zwölf eine Phase von etwa einem Monat, in der sie ihre Ohren nachts mit Leukoplast am Kopf festklebte. Dann hörte sie damit auf, denn im gleichen Augenblick, als das Leukoplast verbraucht war, kam sie wieder zur Vernunft. Aber ich habe keine abstehenden Ohren. Ich habe ein abstehendes Ohr.
Genau, nur eines. Das andere ist klein und fein und liegt ordentlich am Kopf an. Mit vierzehn entdeckte ich dieses Phänomen, als ich mich im Spiegel betrachtete (ich war ein Teenager, also tat ich kaum etwas anderes). Plötzlich überkam mich der Horror. Wo war mein anderes Ohr geblieben?
Die Folge davon ist, dass ich die Haare nicht kurz und auch nicht aus dem Gesicht gekämmt tragen kann, weil mein immenses Ohrenungleichgewicht dann allzu offensichtlich wird. Im Laufe einer weiteren Inspektion stellte ich als Teenager sogar noch fest,
dass mein ganzes Gesicht asymmetrisch ist. Im täglichen Leben fällt es nicht so auf, wenn ich mich ununterbrochen angeregt unterhalte und mein Gesicht nie zur Ruhe kommen lasse. Aber auf Fotos, wenn meine Züge eingefroren sind, kommt die grausame Wahrheit ans Licht, und ich sehe aus wie ein Gemälde von Picasso aus seiner kubistischen Phase. (Nicht dass ich hier um Mitleid bettle, aber in meiner Branche muss ich mich oft fotografieren lassen, und ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viele Stunden meines Lebens irgendwelche Fotografen damit vertrödelt haben, mit Scheinwerfern und Linsen und Winkeln rumzufuhrwerken – aber ganz gleich, wie viel sie auch rumfuhrwerken, am Ende sehe ich trotzdem aus wie Dora Maar.)
Und das ist nur der Teil vom Hals aufwärts. Bringen Sie mich bloß nicht dazu, über den Rest zu reden. Mein Körper ist ein Schlachtfeld, und es gibt ein paar »Freunde«, die ich zu meiden versuche, weil sie mich mit ihren durchdringenden, stechenden Blicken immer als Erstes »wiegen«. Schlimm genug, dass ich mich selbst verurteile, das muss ich mir nicht auch noch von anderen gefallen lassen. (Ich habe das Gefühl, dies ist eine gute Einstellung, ein Zeichen von Reife.) Glauben Sie mir, ich weiß , wenn ich zugenommen habe – für gewöhnlich geschieht es parallel mit dem Atmen. Nur ist die Situation leider absolut ausweglos, weil ich Süßigkeiten esse, wenn ich nervös und unglücklich bin, und wenn ich mit mir in Frieden lebe, dann gehe ich nicht zum Sport. Das Ergebnis? Ständig wachsender Umfang, sodass das Klamottenkaufen zur Qual verkommt. Ich liebe Klamotten, vor allem die, mit denen die kurvenlosen Sechzehnjährigen mich verlocken wollen, aber ich komme von meinem Einkaufsbummel in blinder Wut zurück, beschämt und zutiefst peinlich berührt von dem Anblick, den ich in diesen Sachen abgebe. Nur wenn ich aus Versehen etwas in einem Laden anprobiert habe, in dem die Spiegel leicht nach vorn
geneigt sind und zehn Pfund von meiner Silhouette runtermogeln, komme ich fröhlich nach Hause. Idiotisch, wie ich nun mal bin, glaube ich, was ich sehe, bis ich das Zeug vor meinem eigenen gnadenlos aufrecht stehenden Spiegel anprobiere. (Schon seit einiger Zeit spiele ich mit dem Gedanken, eine schwarze Liste mit solchen Mogelspiegelgeschäften anzulegen. Macht jemand mit? Stürmen wir die Umkleidekabinen!)
Die Unzufriedenheit mit meinem Äußeren ist ein bisschen wie eine Grippe. Für eine Weile lebe ich fröhlich vor mich hin, ohne irgendwelche Symptome zu spüren, und dann plötzlich trifft es mich wie eine Tonne Backsteine. Vor ein paar Jahren überfiel mich mein altes Problem wieder einmal, und eine Freundin schlug mir vor, es mal mit Hypnose zu versuchen. Sie selbst hatte das gemacht und war nach einer glückseligen Stunde voller Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und innerem Frieden wieder hinausgeschwebt. Ich konnte gar nicht schnell genug einen Termin vereinbaren. Aber ich geriet an eine andere Therapeutin, und als ich in ihrer Praxis ankam, legte sie mich nicht etwa auf eine Couch und sagte mir, ich würde mich schläfrig fühlen, sondern setzte mich auf einen Stuhl und fragte mich nach meiner Beziehung zu meinem Vater. Besorgt erklärte ich ihr, dass ich wegen der Hypnose gekommen sei, wegen einer Soforthilfe, und nicht, um eine weitere
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