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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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weitläufige Gärten. Sogar eine Kegelbahn. (Keine sehr gute allerdings.)
    Von außen ist das Hotel tschechisch modernistische Architektur wie aus dem Lehrbuch – mucho, mucho Beton, aber anmutig geschwungen; aus der Luft sieht es aus wie ein gigantisches S.
    Nicht nur die Architektur war mitteleuropäisch und überhaupt nicht zeitgemäß – der Zimmerservice bot zehn verschiedene Frühstücke an, wie folgt. (Oh, ich liebe das.) Frühstück Nr. 1: 50 Gramm einheimischer Käse und 50 Gramm Aufschnitt. Frühstück Nr. 2: 100 Gramm einheimischer Käse. Frühstück Nr. 3: 100 Gramm Aufschnitt. Und so weiter. Solche Präzision stammt noch aus der Sowjetzeit, als die Angst, übers Ohr gehauen zu werden, besonders stark war. Man konnte die eigene Waage mitbringen, um zu kontrollieren, ob sich der Knabe vom Zimmerservice nicht auf dem Weg von der Küche ein Fünf-Gramm-Eckchen von dem bestellten Käse einverleibt hatte. (Natürlich bezahlt man extra, wenn man sich 100 Gramm Käse aufs Zimmer bringen lässt – die Unsumme von zwei Euro wird in diesem Fall zusätzlich auf die Rechnung gesetzt.)
    Doch die charmanten Angestellten sind überhaupt nicht im sowjetischen Stil und mehr als bereit, Abweichungen von der Speisekarte zu tolerieren. Ich habe beispielsweise um einen nicht aufgeführten Joghurt gebeten und diesen auch problemlos bekommen. Ein andermal einen Obstsalat. Und eine Banane.
    Doch der »Orangensaft« ist echt gruslig. Zwischen einer Orange und ihrem »Orangensaft« besteht keinerlei Verwandtschaft: Der Saft ist sirupartig und neonfarben, wie unverdünntes Miwadi-Fruchtkonzentrat. Auch die Minibar ist bezaubernd spärlich bestückt  – ein paar Flaschen heimisches Bier und ein paar zwielichtige, mit Chemikalien angereicherte Limonaden, das ist alles.
    Wegen Ema und Luka reisen mein Herzallerliebster und ich häufig nach Prag, und jetzt übernachten wir immer im Praha – obwohl wir die Tom-Cruise-Suite leider nie wieder bekommen haben. Aber selbst die gewöhnlichen Zimmer sind geräumig und haben Charakter.
    Ewig lange schienen wir die einzigen Gäste zu sein. Obgleich das
Hotel vier Etagen hat, bekamen wir immer Zimmer im ersten Stock, was in uns den Verdacht aufkeimen ließ, dass in den anderen Geschossen alles mit Schutzbezügen abgedeckt war – eine Hotelversion von Miss Havisham – und darauf wartete, dass die Besucher endlich zurückkehrten. Und dann, siehe da, kamen sie tatsächlich! Bei einem unserer letzten Besuche waren die Deutschen eingetroffen, ganze Busladungen. Sie filmten irgendetwas, vielleicht eine Modenschau. Oder … oder … vielleicht einen Pornofilm. Unzählige großbusige blonde Frauen rannten in durchsichtigen Tops durch die Gegend, und bärtige Männer in Lederhosen filmten sie dabei.
    Ein andermal – wie bizarr ist das denn? – gab die Galway Choral Society ein Konzert. Luka und Ema wurden im Buggy herbeigeschoben, um die irische Seite ihrer Abstammung kennen zu lernen, und Luka war offensichtlicht sehr gerührt, denn während einer sechzehnstimmigen Wiedergabe von »Danny Boy« stürzte er sich mit seinem Plastikschwert, das wir ihm bei IKEA gekauft hatten (jawohl, es gibt einen IKEA in Prag), auf die erste Reihe der Jodler und musste weggeschleppt werden.
    Ich liebe das Praha. Es ist eine Art Denkmal der kommunistischen Vergangenheit, die Angestellten sind freundlich und unglaublich zuvorkommend, und – ohne den Tschechen zu nahe treten zu wollen – das ist nicht überall so.
    Außerdem ist das Praha weit genug vom Stadtzentrum entfernt, dass man keine Angst haben muss, jede Nacht davon geweckt zu werden, wie sich die Teilnehmer irgendwelcher Junggesellenpartys die Seele aus dem Leib kotzen.
    Okay, es liegt also nicht mitten in der Stadt, und wenn Sie in Torkelnähe Ihres Hotels übernachten müssen, dann ist das Praha leider nichts für Sie. Aber wenn Sie keine Angst haben, die Straßenbahn zu benutzen, und wenn Sie gern eine kleine Erinnerung
an Prags jüngere Vergangenheit kennen lernen möchten, dann sollten Sie es ruhig mal ausprobieren. Die Leute dort sind sehr nett, ehrlich. Sagen Sie einfach, ich hab Sie geschickt.
     
    In leicht veränderter Form erstmals erschienen in Abroad , Mai 2004.

Ein Hoch auf die guten Vorsätze
    Man kann die Welt in zwei Arten von Menschen aufteilen: in solche, die Silvester lieben, und solche, die Silvester hassen. Diejenigen, die es lieben, begehen den Anlass festlich, indem sie mit glitzerndem Kopfschmuck an Partys teilnehmen,

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