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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Nachmittag. Nicht, wenn es Geschäfte gibt, die man sich anschauen kann, oder wenn man noch ein bisschen Schlaf nachzuholen hat. Ich glaube, Aoife war auch nicht besonders glücklich mit unserem Vorhaben – als wir vier uns auf unseren Plätzen niederließen, warf sie mir ein gequältes Lächeln zu. Im Verhör leugnete sie dann zwar, dass sie innere Qualen erlitt, aber das tat sie nur, weil sie mindestens genauso nett wie schön ist. Mein Herzallerliebster und Paul jedoch waren hundertprozentig begeistert, dass sie hier sein
und in unregelmäßigen Abständen »Come on the Banner« rufen durften.
    Endlich liefen die Spieler aufs Feld, und plötzlich setzten sich alle kerzengerade hin und konzentrierten sich. Während die Fußballer in der English Premier League ja immer mehr aussehen wie männliche Models, wirkten die Jungs hier, als wären sie gerade ordentlich vermöbelt worden: zähe, kumpelhafte Männer mit Kopfbandagen und blassen, sommersprossigen Beinen. Garantiert hätte keiner von ihnen gewusst, was Sculpting Gel ist. Sie waren authentisch, sie waren das Salz der Erde.
    Dann begann eine Blaskapelle die Nationalhymne zu spielen, und wir standen alle auf. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich die Hymne das letzte Mal gehört hatte, aber irgendetwas an der Musik – zusammen mit dem Anblick der bleichschenkligen Spieler, die gekommen waren, um ihrem County Ruhm und Ehre zu schenken, und den ganzen Leuten, die eigens angereist waren, um sie zu unterstützen und die Beschimpfungen der Gegenseite über sich ergehen zu lassen – irgendetwas an all dem rührte mich echt.
    Plötzlich fühlte ich mich an ein anderes Irland erinnert, das Irland meiner Kindheit, als wir eine kleine, unmoderne, zurückgebliebene Insel waren, als Michael O’Hares rasante Kommentare am Sonntagnachmittag den Äther beherrschten, als wir noch eine viel ursprünglichere und weniger hochgestochene Nation waren und noch nicht zur globalen Schickeria gehörten.
    Ich erinnerte mich daran, dass wir ein Bauernstaat sind – oder jedenfalls waren –, in dem das Lokale wichtiger war als das Globale, in dem böses Blut gelegentlich über Generationen weitergetragen wurde, nur weil jemand den Esel eines anderen getreten hatte.
    Wir Iren hatten schon immer ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Doch in den letzten Jahrzehnten ist die Sinuskurve unserer Einmaligkeit flacher geworden. Aber auf die Gefahr hin, mich anzuhören
wie eine fiese Nationalistin, muss ich feststellen, dass ich mich an jenem Tag, in jenen Minuten von einer Konzentration des Irischseins umflutet fühlte und dachte, bei Gott, ich liebe es, Irin zu sein. Offen gestanden war ich regelrecht überwältigt.
    Aber zurück zum Spiel.
    Wir hatten super Plätze, praktisch direkt auf dem Spielfeld. Wie es sich für den Juli gehört, herrschte fürchterliches Wetter. Schon den ganzen Tag waren dicke Nebelschwaden durch die Luft gewabert, und als das Spiel richtig begann, setzte auch noch Regen ein. Aoife und ich kauerten uns unter meinen Schirm und machten uns Sorgen um unsere Haare. Der Regen, sagte Aoife, mache ihre Haare so kraus, dass sie irgendwann aussehe wie ein Mitglied der Jackson Five. Schön für dich, erwiderte ich, aber ich kann mich mit Tingeltangel Bob revanchieren.
    Leider war Clare dabei zu verlieren, ich konnte es kaum mit ansehen. Und ich wurde noch zusätzlich nervös, wenn die Spieler mit dem Sliothar – dem Ball – auf dem Stock mit einem Affenzahn übers Spielfeld rasten: Ständig wartete ich darauf, dass er runterknallte. Hin und her gerissen zwischen diesen beiden Ängsten wandte ich schließlich die Augen ab und unterhielt mich lieber mit Aoife über Haarpflegeprodukte, während auf dem Spielfeld der ungleiche Kampf weiterging.
    Nach einer Weile schlug der Wind um und blies den Regen direkt in unsere Gesichter, aber wir verharrten stoisch, wo wir waren. Erst als der Niederschlag so stark wurde, dass wir nichts mehr sehen konnten, entfernten wir uns von den zugewiesenen Plätzen und suchten Schutz unter dem Dach, wo wir uns mitten im Gewühl unserer Feinde, den Galway-Fans, wiederfanden. Hinter uns verzehrte eine rotwangige Familie von Galway-Anhängern in Alufolie verpackte Schinken-Sandwiches und trank Tee aus mitgebrachten Thermosflaschen. Spitzel vom Bord Fáilte? Möglicherweise …
    Im Handumdrehen war Halbzeit – das ist nämlich das Großartige an gälischen Spielen: Jede Halbzeit dauert nur fünfunddreißig Minuten, sodass man sich kaum einmal

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