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Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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fröhlich bei der Polonaise mitmachen, mit Begeisterung »ZEHN, NEUN, ACHT, …« deklamieren, um Mitternacht jeden küssen, der ihnen unter die Augen kommt und allgemein voller Hoffnung ins neue Jahr blicken. Die andere Sorte – und es kann sich hier um Menschen handeln, die an den restlichen 364 Tagen im Jahr absolut gesellig sind – stürzt an Silvester regelmäßig in schwarze Verzweiflung. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich zu Letzteren gehöre.
    Ich kann nicht richtig ausdrücken, was eigentlich mit mir geschieht, aber während alle anderen nach vorn blicken, starre ich gebannt zurück. Alte Demütigungen präsentieren sich, um erneut in Augenschein genommen zu werden, und ich fühle mich wie eine dicke fette Versagerin. Es ist ähnlich wie das Bilanzziehen an meinem Geburtstag, nur irgendwie noch viel, viel schlimmer. Ich bin dermaßen niedergeschlagen, dass ich das Gefühl habe, jeder kitschige glitzernde Kopfschmuck würde auf meinem Haupt augenblicklich seinen Glanz verlieren, und das Letzte, wonach ich mich sehne, ist, erst triumphierend in eine Papiertröte zu blasen und dann meinen Zahnarzt zu knutschen.
    Was die Sache noch schlimmer macht, ist der Hohn, mit dem die Kopfputzgang mein Unbehagen überschüttet, und ihre strikte Weigerung zu glauben, dass ich möglicherweise tatsächlich lieber zu Hause bleiben und mir Billy Elliot anschauen möchte. »Aber das ist doch der beste Abend des Jahres! Sei doch nicht so ein Miesepeter. Hier«, sagen sie und drücken mir eine grellbunte Röhre in die Hand, »mach das auf, wenn wir alle ›Prost Neujahr!‹ rufen, und schon fliegen Papierschlangen überall durch die Gegend.«
    Im Laufe der Zeit habe ich noch andere Leute kennen gelernt, die so empfinden wie ich, ein kleiner Geheimbund. Wir alle leiden unter Extremer Silvesterangst (ESA), und unsere größte Herausforderung war natürlich die Mutter aller Silvesterabende: die Jahrtausendwende. Ich wusste, dass unsere Angst sich zweitausendfach steigern würde, und plötzlich hatte ich eine großartige Idee, wie wir die Nacht gut überstehen konnten. Ich würde ein sicheres Haus zur Verfügung stellen! Ich würde alle Uhren verstecken, damit niemand wusste, wann die grausige Mitternacht schlug. Es würde Audrey-Hepburn-Filme geben, Daunendecken, Kartoffelbrei, warme Bäder und sämtliche anderen vorstellbaren Möglichkeiten, sich einzuigeln.
    Aber irgendwie bekam die Kopfputzgang Wind von unserem Treffen, und sie brachten keinerlei Verständnis dafür auf, dass unser Vorhaben keine Party werden sollte. Ehe ich wusste, wie mir geschah, wurde kistenweise Sekt herbeigekarrt und das Haus mit leuchtend roten »Happy-New-Millenium«-Bannern geschmückt und Sonderangebotskopfputz – mit der Aufschrift »2000« – an die eintrudelnden Gäste verteilt. Es war ein Albtraum!
    Und wenn Silvester über uns hereinbricht, muss man da etwa nicht damit rechnen, dass Neujahr nicht fern ist?
    Neujahr kommt mir immer so vor wie der Tag nach dem Ende der Welt. Alles hat die Ausstrahlung von Schock und Bestürzung;
zittrig kommen die Menschen aus ihren Verstecken, als erholten sie sich mühsam von einem Schlag auf den Schädel. Wir betrachten all die schrottigen Sachen, die wir bekommen und verschenkt haben, erinnern uns an den peinlichen Vorfall mit dem Trifle am ersten Weihnachtsfeiertag (niemand sonst wollte etwas davon essen, ich hatte vor, nur ein Löffelchen zu probieren etc. etc.) und fragen uns: »Was ist da bloß passiert ?«
    Nach den weihnachtlichen Ausschweifungen schwingt das Pendel nun in die andere Richtung, sodass die häufigste Frage an Neujahr (nach »Hast du mal eine Nurofen für mich?« und »Äh, weißt du, wie ich gestern heimgekommen bin?«) selbstverständlich lautet: »Was sind diesmal deine Neujahrsvorsätze?«
    Weil ich immer alles übertrieben habe (nicht meine Schuld, ich bin leider ohne Abstellknopf auf die Welt gekommen), habe ich vollstes Verständnis für den Wunsch, sich zu reinigen und ein bisschen umzumodeln. Bis vor kurzem stand also mein ganzes Leben unter dem Motto »Operation Neuanfang«. An den meisten Montagen dachte ich: Diese Woche packe ich mein Leben bei den Hörnern und zwinge es, sich meinem Willen zu beugen. Ich nehme sieben Pfund ab, verfalle nie wieder bei den wunderhübschen Duftkerzen von Jo Mallone in einen Kaufrausch und lerne Serbokroatisch (oder so was in der Art).
     
    Deshalb bin ich die perfekte Kandidatin für Neujahrsvorsätze. Und ich habe mir immer jede

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