Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)

Titel: Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
Aber dann haben sich so viele Leute bei mir gemeldet und wollten wissen, wie es weiterging, wie ich mit dem Schreiben angefangen habe etc., dass ich schließlich beschloss, eine Fortsetzung zu verfassen. Dann aber begann ich mir Sorgen über diejenigen meiner Leserinnen und Leser zu machen, die meine Saufgeschichte noch nicht kennen: Was sollen die mit einem Bericht meiner Genesung anfangen? Um alles abzudecken, habe ich deshalb die ganze Geschichte noch einmal aufgeschrieben. Ich entschuldige mich bei denen, denen meine Abenteuer mit der Flasche bereits vertraut sind – sie können ja den Teil überspringen, den sie schon kennen, und einfach bei »Was dann passiert ist« weiterlesen.
     
    Solange ich zurückdenken kann, hat immer irgendetwas nicht gestimmt. Obwohl ich in einer normalen, liebevollen Mittelschichtfamilie aufgewachsen bin, hatte ich mein Leben lang das Gefühl, dass mir etwas fehlt. Das brachte mich aus dem Gleichgewicht; ich war nie im Einklang mit dem Rest der Welt und fühlte mich nie »normal«. Stattdessen sah ich zu, wie andere Leute mühelos »normal« waren und versuchte sie zu kopieren, wie ein Ausländer, der die Sitten der Einheimischen nachäfft.
    Als Älteste von fünf Geschwistern war ich ein mageres kleines Mädchen, das sich ständig Sorgen machte und vor nahezu allem
Angst hatte – vor Hunden, vor Jungen, davor, zu spät zur Schule zu kommen, Rundball spielen zu müssen, fotografiert zu werden (ich hasste mich, ich dachte, ich wäre das hässlichste Wesen auf der ganzen Welt). Aber am schmerzlichsten war mein verzweifelter Wunsch, gemocht zu werden – ich war ein emotionaler Gestaltwandler ohne jedes Gefühl für mich selbst, und mein unausgesprochenes Angebot an meine Mitmenschen lautete: Sagt mir, wer ich für euch sein soll, und ich werde es sein. Nicht dass diese Großmütigkeit funktioniert hätte; so sehr ich mich auch darum bemühte, eine beste Freundin zu haben, schien ich mich stets in ein Dreieck mit zwei anderen Mädchen zu verbeißen, die tatsächlich Freundinnen waren.
    Ich werde oft gefragt, ob mir etwas »passiert« sei. Aber mir ist nichts »passiert« – ich glaube, ich bin einfach so auf die Welt gekommen. Womit ich sagen will, ich glaube, ich bin zur Alkoholikerin geboren. Zur Alkoholikerin auf Abruf.
    Deshalb geriet, als ich im Teenageralter zum ersten Mal Alkohol trank, meine Welt vollkommen aus den Fugen, und ich verliebte mich. Schwindlig, außer mir vor Erleichterung, verliebte ich mich in die Empfindungen, die der Alkohol mir schenkte, und auf einmal fühlte ich mich so, wie ich dachte, dass alle anderen sich ständig fühlten. Endlich verstehe ich es, dachte ich. Das ist also das Stück, das mir fehlt, das ist meine Rettung.
    Obwohl es einige Jahre dauerte, bis ich körperlich abhängig war, war ich emotional vom ersten Tropfen an in den Bann geschlagen, und meine ganze restliche Teenagerzeit trank ich, wo immer ich die Gelegenheit dazu hatte. Das war nicht sehr oft, wohlgemerkt – ich verfügte nicht über die notwendigen Mittel –, aber wenn ich trank, dann trank ich, um betrunken zu werden. Ich jagte dem Vergessen nach, ich versuchte, vor mir zu fliehen – und dachte, das täten alle.
    Von Anfang an wachte ich mit Rasierklingen der Angst im Magen wieder auf, wäre am liebsten gestorben, wenn mir etwas einfiel, was ich in der Nacht davor gesagt oder getan hatte, und wünschte mir, alles wäre nur ein Traum gewesen. Die Anrufe, die ich am Morgen danach voller Scham tätigte, wurden ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, ein Markenzeichen, das sich die nächsten sechzehn Jahre hielt.
    Aber trotz allem war ich eine gewissenhafte Schülerin (ich hatte zu viel Angst, um die Zügel schleifen zu lassen), und als ich mit der Schule fertig war, ging ich brav auf die Universität, studierte Jura und machte meinen Abschluss. Eigentlich hätte ich darauf stolz sein sollen, aber das war ich nicht: Alles, was mit mir zu tun hatte, war von vornherein mit einem Makel behaftet, und als alle anderen aus meinem Semester loszogen, um als Juristen Karriere zu machen, zeigte ich meine innere Freiheit dadurch, dass ich nach London zog und Kellnerin wurde.
    Eine absurde Entscheidung? Aber sicher. Handelt so eine Person, die keinerlei Selbstachtung hat? Zweifellos. Aber Mitte der Achtziger waren in Irland Konzepte wie »Selbstachtung« noch nicht erfunden worden.
    Schließlich bekam ich einen Job in einem kleinen Buchführungsbüro, wo ich jede Sekunde der acht

Weitere Kostenlose Bücher