Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
inzwischen auf dem besten Wege bin, das zu ändern.
13 Uhr 30: Nach einem kurzen Lunch machen wir uns auf den Weg zu einer Quelle, die von Concern eingefasst worden ist. Aber es hat geregnet, und der Jeep bleibt im Schlamm stecken. Wir müssen alle aussteigen, und als ich hinunterklettere, lande ich etwas unsanft auf einem Esel, der mir nach dem Motto »ich mach dir keinen Vorwurf« einen geduldigen Blick schenkt. Dann geht er weiter den Hügel hinauf.
Wir kehren um und fahren stattdessen zu einer Animatrice (ich glaube, so wird es geschrieben) – einer Frau, die von Concern dazu ausgebildet worden ist, ihrer Gemeinde nützliche Dinge über Ernährung
und Hygiene beizubringen und sich vor allem um die unterernährten Kinder zu kümmern. Früher ging eine Mutter, deren Kind unternährt war, zum Ernährungszentrum von Concern, wo sie und ihr Kind bleiben konnten, bis sie beide wieder gesund waren. Das konnte bis zu drei Wochen dauern. Unterdessen war aber keiner zu Hause, der sich um die anderen Kinder der Frau kümmern konnte, und außerdem hatte sie auch nicht die Möglichkeit, während der Zeit Geld zu verdienen. Mit dem neuen Konzept versucht man das Problem zu lösen und der Gemeinde Kontrolle und Verantwortung zu übertragen. Concerns gesamte Arbeit ist ausgerichtet auf »Zukunftsfähigkeit«, das heißt letztlich Hilfe zur Selbsthilfe, damit die Einheimischen, wenn sich Concern einem anderen Projekt zuwendet (alle Hilfsorganisationen müssen nach drei Jahren wieder gehen), in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen.
Aber die Animatrice ist nirgends zu finden. Das ganze Dorf ist »zum Weinen« gegangen – eine poetische Umschreibung für eine Beerdigung. Na gut, sagen wir und gürten unsere Lenden. Dann besuchen wir jetzt eben die Kerchech Klinik.
Zurück in den Jeep, und nachdem wir eine weitere Stunde auf schlammigen Straßen durchgeschüttelt worden sind, kommen wir in einem Krankenhaus mit drei Räumen an. Gleichzeitig mit uns taucht auch eine junge Frau namens Erberke mit ihrem Mann Bassa und ihrem kranken Baby Jalsalem auf. Sie sind vierzig Minuten auf bloßen Füßen hierher gewandert, weil Jelsalem Blut im Stuhl hat; sie ist fünfzehn Monate alt und so klein, dass man sie ohne weiteres für ein Jahr jünger halten könnte. Bassa trägt eine Hose, die möglicherweise von Farrah stammt, jetzt aber nur noch aus von gelbem Faden zusammengehaltenen Fetzen besteht. Ich habe inzwischen sehr viele traurige Dinge gesehen, aber aus irgendeinem Grund nimmt mich das besonders mit. Ich kann einfach nicht mehr aufhören zu weinen.
Dr. Degu Tinna, der die Klinik leitet und darüber hinaus seine Patienten auf einem von Concern zur Verfügung gestellten Motorrad besucht, untersucht Jelsalem und stellt fest, dass sie nur fünfundsiebzig Prozent des Gewichts hat, das normal wäre, aber keine Anzeichen von Ödemen (Proteinmangel) aufweist. Er gibt ihr Antibiotika. Die landesübliche Methode, ein Baby mit Durchfall zu behandeln, besteht darin, seinen Bauch zu brandmarken (bei einer Augenentzündung macht man das Gleiche an den Schläfen). Mit unendlichem Grauen wird mir klar, dass Jelsalem gestorben wäre, wenn es diese Klinik nicht gäbe.
20 Uhr: Zum Abendessen gibt es heute das berühmte Injera-Brot. Es ist grau und sieht aus wie ein zusammengerollter Schwamm, aber es schmeckt gut. Nachts muss ich zweimal aufstehen und die Latrine aufsuchen. Aber ich werde nicht von Leoparden gefressen.
Freitag, 13. September
7 Uhr: Noch ein Versuch, eine Quelle zu besuchen, aber wieder bleiben wir im Schlamm stecken. Diesmal geben wir das Vorhaben aber nicht auf und kommen um 9 Uhr tatsächlich ans Ziel. Wow!
Die Quelle ist ein wahres Gottesgeschenk – sauberes Wasser zum Waschen, Kochen und vor allem zum Trinken. Ehe sie eingefasst wurde, war die einzige Alternative schmutziges Wasser aus dem nahe gelegenen Fluss – so dreckig, dass es im Glas aussah wie Kakao.
An der Quelle herrscht eine Menge Betrieb. Ofusi, eine hübsche Dreizehnjährige, wäscht die Wäsche für ihre ganze Familie – und schrubbt emsig mit ihrem Stück Seife. Salem, ein zehnjähriges
Mädchen, füllt einen Fünflitercontainer mit Wasser, den sie dann nach Hause schleppt – eine Stunde Fußmarsch.
Aber was mir am meisten auffällt, ist, wie krank viele der Kinder aussehen, die mich umringen. Ihre Zähne sind braun, und die meisten scheinen entzündete Augen zu haben. Fliegen landen auf den Mündern der Babys, viele der Kleinen haben
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