Pralinen im Bett: Schuhdiebe, Mutterliebe, Seitenhiebe und weitere Tücken des Alltags (German Edition)
fleckige Haut. Ich meine mich zu erinnern, einmal gelesen zu haben, dass das ein Zeichen für extremen Eiweißmangel ist. Immer näher drängen sie sich an mich heran, sagen aber nichts, und zum ersten Mal, seit ich in Äthiopien bin, gerate ich ein bisschen aus der Fassung.
Auf dem Rückweg kommen wir an Frauen vorbei, die auf dem Feld arbeiten, unter ihnen eine, die Tefari heißt und im siebten Monat schwanger ist. Jetzt lernen wir auch Itanisch, die Animatrice, kennen; die Arbeit, die sie in dieser Gegend mit den Frauen macht, soll dafür sorgen, dass es den mangelernährten Kindern bald besser geht. Das hebt meine Stimmung.
11 Uhr: Rückfahrt nach Addis Abeba.
17 Uhr: Unser Koffer ist angekommen! Weil ich eine Woche lang nur mit dem Nötigsten zurechtgekommen bin, habe ich schon gedacht, ich hätte gar kein Interesse mehr an ihm, aber es tut mir Leid gestehen zu müssen, wie sehr ich mich geirrt habe. Ich stürze mich auf den Koffer wie auf einen lange vermissten Freund und bestaune meine schönen Sachen. Meine Gesichtscreme! Meine Sonnenbrille! Meine Malariatabletten!
18 Uhr 30: Es gibt ein Open-Air-Konzert, mit dem bei jungen und obdachlosen Menschen aus der Gegend von Merkato (einem riesigen Markt mit vielen Prostituierten) das Bewusstsein für die Gefahr von HIV/Aids erhöht werden soll. Ich nahm an, die ganze
Aktion sei zwar gut gemeint, die Musik jedoch schlecht, doch ich schwöre, dass ich noch nie so etwas Tolles gesehen habe. Auf der Bühne tanzen drei schlanke, elegante Jungen und drei süße Mädels in traditionellen Gewändern, aber wie! Stellen Sie sich Leute vor, die sich wie elektrisiert, aber unglaublich anmutig bewegen, dann haben Sie eine ungefähre Vorstellung davon, was hier abgeht. Und sie haben so viel Spaß daran, dass es eine reine Freude ist, ihnen zuzusehen. Das Konzert (übrigens eine monatliche Einrichtung) ist die Idee eines sehr engagierten, intelligenten Mannes namens Anania Admassu, der ein von Concern finanziertes Projekt zur Unterstützung von Aids-Waisen leitet. In Addis Abeba gibt es unglaublich viele – allein in der Gegend von Merkato um die 1000.
Samstag, 14. September
9 Uhr 30: Besuch des Straßenverkäufer-Programms von Concern, das den ärmsten Straßenhändlern (fast durchweg Frauen) grundlegende Verkaufskenntnisse und arbeitsbegleitende Kredite mit niedrigen Zinsen zur Verfügung stellt. Das Leben hunderter von Frauen hat sich durch dieses Programm verändert, und die meisten können sogar etwas von ihrem Lohn zurücklegen.
14 Uhr: Der letzte Gig. Ein Besuch bei Mekdim, einer Organisation, die von HIV-positiven Mitgliedern geleitet wird, und von der Bildungsangebote, medizinische Hilfe, Beratung, Pflege und Beerdigungskosten für Menschen mit Aids zur Verfügung gestellt werden.
HIV/Aids ist ein riesiges Problem in Äthiopien. Wegen der extremen Armut haben viele Frauen keine andere Wahl, als sich zu prostituieren – wenn sie nicht mitsamt ihren Kindern verhungern
wollen. Die Situation wird nicht besser durch die Haltung der Regierung, die bis vor kurzem einfach die Augen vor der Realität verschlossen hat. Inzwischen, leider ziemlich spät, hat man eingeräumt, dass das Problem seuchenartige Ausmaße angenommen hat.
Mekdim wird geführt von Tenagne Alemu, einem charismatischen jungen Mann, der seit dreizehn Jahren mit dem Virus lebt – »drogenfrei«, wie mir alle erzählten, bevor ich ihn kennen lernte. Idiotischerweise nahm ich an, dass er keine Medikamente nimmt, weil er damit etwas aussagen will. Aber keineswegs. Er ist drogenfrei, weil er sich die Medikamente nicht leisten kann. Die Therapie gegen Retroviren, die in der entwickelten Welt bei so vielen HIV-positiven Menschen Wunder wirkt, liegt weit jenseits dessen, was sich ein Äthiopier leisten kann.
Ich lerne auch eine der Pflegerinnen kennen, eine wunderschöne, redegewandte Neunundzwanzigjährige, die merkte, dass sie HIV-positiv war, als ihre dreijährige Tochter krank wurde und starb. Niemand konnte ihr sagen, was ihr Kind getötet hatte, aber sie hatte von »der Krankheit« gehört und befürchtete das Schlimmste. Ihr Ehemann war ihr erster sexueller Partner gewesen, also musste sie sich bei ihm angesteckt haben. Wie man sich vorstellen kann, brach ihr Leben auseinander. Sie ließ sich scheiden und war kurz davor, Selbstmord zu begehen, als sie hörte, dass Mekdim Leute suchte, die als Pflegerinnen arbeiten.
Sie bekommt ständig irgendwelche Infektionen. Sie wird von ihresgleichen
Weitere Kostenlose Bücher