Pretty - Erkenne dein Gesicht
die Smokies sich versteckten, gab es keine Löcher in der Wand, man musste die Dinge selbst herstellen und das kostete Zeit und Mühe. Und Croy hatte sich nicht einfach irgendein Kostüm ausgesucht... Tally dachte an die kalten Juwelen-Augen und ihre Knie drohten nachzugeben.
Vielleicht half es ja, etwas zu essen.
"Ja, schrecklichen Hunger. Also frühstücken wir."
Sie trafen sich im Denzel Park, einem Vergnügungsgarten, der sich vom Zentrum New Pretty Towns bis zum Valentino Mansion schlängelte. Das Gebäude selbst war hinter Bäumen verborgen, aber der Sendemast war zu sehen und die altmodische Valentino-Flagge, die im kalten Wind hin und her flappte. Im Park hatte man die Verwüstungen der vergangenen Nacht fast vollständig beseitigt, mit Ausnahme einiger schwarzer Flecken, die die Freudenfeuer der Partygäste hinterlassen hatten. Ein Wartungsroboter schwebte über einem Aschekreis, grub mit sorgfältigen Klauenbewegungen den Boden um und sprühte Samen in die versengte Erde.
Zanes Vorschlag mit dem Picknick hatte Tally die Augenbrauen heben lassen (eine Bewegung, die ein lautes >Autsch< verdiente), aber der Gang durch die frische Luft half ihr, einen klaren Kopf zu bekommen. Die Pillen, die die Wächter ihr gegeben haben, dämpften den Schmerz in ihrer Wunde, halfen aber nicht gegen ihre allgemeine Benommenheit. In New Pretty Town ging das Gerücht, dass die Ärzte durchaus in der Lage waren, Kater zu kurieren, die Heilmittel aber aus Prinzip geheim hielten.
Zane war pünktlich und das Frühstück wippte langsam in der kühlen Brise hinter ihm her. Als er auf Tally zukam, weiteten sich seine Augen beim Anblick ihrer Stirn. Er streckte eine Hand aus, als wolle er die Wunde berühren.
"Ganz schön verpfuscht, was?", fragte sie.
"Sieht total kriminell aus", meinte er, noch immer mit großen Augen.
"Aber nicht besonders viele Milli-Helenas wert, oder?"
Er machte für einen Moment ein nachdenkliches Gesicht.
"Ich würde das nicht in Helenas messen. Ich bin aber nicht sicher, was ich sonst nehmen würde. Etwas Prickelnderes."
Tally lächelte. Peris hatte Recht gehabt, es war besser, ihr Gesicht nicht gleich in Ordnung bringen zu lassen. Weil er von ihrer Wunde so fasziniert war, sah Zane noch schöner aus, und sein Gesicht gab ihr ein prickelndes Gefühl, so, als stünde sie im Mittelpunkt von allem, und dabei wurde ihr noch nicht einmal schwindlig.
Zanes Kostümopi war vergangen, seine Lippen hatten wieder die normale Pretty-Fülle angenommen. Aber auch bei Tageslicht sah er immer extrem aus. Sein Gesicht bestand nur aus Kontrasten, sein Kinn und seine Wangenknochen waren scharf, seine Stirn hoch. Seine Haut hatte den gleichen oliv-braunen Teint wie bei allen anderen, aber in der Sonne, unter seinen dunklen Haaren, sah sie aus irgendeinem Grund bleich aus. Die Operationsregeln gestatteten keine pechschwarzen Haare, weil das Komitee das für zu extrem hielt, aber Zane färbte seine mit Tusche. Außerdem aß er nicht viel und das ließ sein Gesicht hager und seinen Blick stechend wirken. Von allen Pretties, die Tally seit ihrer Operation über den Weg gelaufen waren, war er der Einzige, der wirklich anders aussah als die anderen.
Vielleicht war er deshalb der Anführer der Krims - man musste anders sein als alle anderen, um wirklich zu den Kriminellen gehören zu dürfen. Seine goldenen Augen flimmerten, als sie eine Stelle zum Sitzen suchten, und blieben dann am gefleckten Schatten einer breiten Eiche haften.
Sie setzten sich auf das Gras und die Blätter und Tally sog den Duft von Tau und Erde ein. Das Frühstück ließ sich zwischen ihnen nieder und von den Glühelementen, die verhinderten, dass die Rühreier und Kartoffelpuffer kalt und klebrig wurden, ging eine angenehme Wärme aus.
Tally belud sich einen Wärmeteller mit Eiern und Käse und Avocadoscheiben und stopfte sich einen halben Muffin in den Mund. Als sie zu Zane hochschaute, sah sie, dass er nur eine Tasse Kaffee in der Hand hielt, und sie fragte sich, ob es wohl Pfusch war, dass sie hier schlang wie ein gieriges Schwein. Aber was spielte das für eine Rolle? Sie war jetzt eine Krim, schärfte sie sich ein, vollgültig und mit den Stimmen aller. Und Zane hatte sie schließlich hergebeten, er hatte also mit ihr zusammen sein wollen. Sie brauchte sich keine Sorgen mehr darum zu machen, ob sie akzeptiert wurde, sie konnte anfangen das Leben zu genießen. Es gab schlimmere Dinge, als in einem perfekten Park zu sitzen und aus nächster Nähe
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