Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pretty - Erkenne dein Gesicht

Pretty - Erkenne dein Gesicht

Titel: Pretty - Erkenne dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
Vom Netzwerk:
Stück näher gekommen zu sein.
    Dann sah Tally den Fluss.
    Der zog sich unter ihnen dahin, fing das Mondlicht ein wie eine Silberschlange, die sich aus den erzreichen Bergen zur See hinschlängelt. Im Flussbett hatten sich sicher jahrhundertelang Metalle abgelagert, genug, um ihr Hubbrett fliegen zu lassen. Vielleicht auch genug, um ihren Sturz aufzufangen.
    Vielleicht konnte sie ihre Zukunft zurückbekommen.
    Sie schob ihr Brett wieder auf den Gondelrand.
    "Aber, Tally, du kannst nicht ..."
    "Der Fluss."
    Peris schaute nach unten und riss die Augen auf. "Der sieht so klein aus. Was, wenn du ihn verfehlst?"
    "Werd ich nicht." Sie knirschte mit den Zähnen. "Du hast doch schon mal Formations-Bungeespringer gesehen, oder? Die können sich allein mit ihren Armen und Beinen nach unten steuern. Ich hab ein ganzes Hubbrett. Das wird so sein, als ob ich Flügel hätte."
    "Du bist verrückt."
    "Ich bin weg." Sie küsste Peris rasch, dann hob sie ein Bein über den Gondelrand.
    "Tally!" Er packte ihre Hand. "Du könntest sterben! Ich will dich nicht verlieren ..."
    Sie riss sich wütend los und Peris wich verängstigt zurück. Pretties mochten keine Konflikte. Pretties gingen keine Risiken ein. Pretties sagten nicht Nein.
    Aber Tally war keine Pretty mehr. "Hast du schon", sagte sie.
    Dann packte sie ihr Hubbrett und ließ sich ins Leere fallen.

 
Teil 3
    Draußen
     
    Die Schönheit der Welt... hat zwei Kanten, eine aus Lachen, eine aus Angst, und die zerschneiden das Herz.
     
    Virginia Woolf, Ein eigenes Zimmer

 
Nach unten
    Mit einem wilden Wirbeln fiel Tally hinein in das Schweigen der Nacht.
    Nach der windgeschützten Stille des Ballons packte die vorbeirauschende Luft sie mit unerwarteter Stärke und hätte ihr das Hubbrett fast aus der Hand gerissen. Sie presste es eng an ihre Brust, aber die Finger des Windes suchten noch immer nach Halt, um ihr ihre einzige Hoffnung aufs Überleben zu entreißen. Sie griff noch fester in die Unterseite des Brettes, strampelte mit den Beinen, versuchte Kontrolle über die Wirbelbewegungen zu bekommen. Langsam kam der dunkle Horizont zur Ruhe.
    Aber Tallys Position war verkehrt, sie schaute in die Sterne und hing unter dem Brett. Sie konnte über sich den dunklen Umriss des Ballons ahnen. Dann flackerte die Flamme auf und ließ die Ballonhülle vor der Dunkelheit silbrig aufglühen, wie ein riesiger orangefarbener Mond am Himmel. Sie nahm an, dass Peris aufstieg, um die Verfolger abzulenken. Wenigstens versuchte er ihr zu helfen.
    Es tat ihr weh, dass er sich die Sache anders überlegt hatte, aber keine Zeit, sich darüber Sorgen zu machen, nicht, solange sie dem Boden entgegenschoss.
    Tally versuchte verzweifelt sich umzudrehen, aber das Hubbrett war breiter als sie - es fing die Luft ein wie ein Segel und schien sich jeden Moment losreißen zu wollen. Es war, als hielte sie bei starkem Wind einen riesigen Drachen, mit dem Unterschied, dass sie in etwa sechzig Sekunden zerschmettert am Boden liegen würde, wenn sie die Kontrolle über diesen besonderen Drachen verlor.
    Tally versuchte sich zu entspannen, sie ließ sich einfach hängen. Etwas zerrte an ihrem Handgelenk, wie sie jetzt merkte. Hier oben in der Leere mochten die Hubvorrichtungen des Brettes nutzlos sein, aber sie standen doch immer noch mit dem Metall ihrer Armbänder in Kontakt.
    Tally rückte das linke Armband zurecht, um die bestmögliche Verbindung herzustellen. Als sie das Brett dadurch fester im Griff hatte, streckte sie den rechten Arm in die vorbeijagende Luft. Es war wie damals als Winzling im Bodenwagen ihrer Eltern, wenn sie die Hand aus einem Fenster gehalten hatte. Indem sie die Hand spreizte, vergrößerte sie den Widerstand, und Tally merkte, dass sie sich jetzt langsam umdrehte.
    Einige Sekunden später hatte sie das Hubbrett unter sich.
    Tally schluckte beim Anblick der Erde, die sich unter ihr ausbreitete, riesig und dunkel und hungrig. Die eiskalte Luft schien ihre Jacke einfach zu durchschneiden.
    Sie hatte das Gefühl, schon seit einer Ewigkeit zu fallen, aber der Boden schien trotzdem nicht näher gekommen zu sein. Da war nichts, was dem Ganzen einen Maßstab geben konnte, außer dem kurvenreichen Fluss, der noch immer nicht größer aussah als ein Stück Band. Tally drehte versuchsweise ihr ausgestrecktes Handgelenk und sah zu, wie die Kurve des vom Mond beschienenen Wassers sich unter ihr im Uhrzeigersinn bewegte. Sie zog den Arm zurück und der Fluss kam zum Stillstand.
    Tally grinste. Ein

Weitere Kostenlose Bücher