Pretty Little Liars - Herzlos: Band 7
wollten. Emily war sich ziemlich sicher, dass sie ihre Familien niemals wiedersehen würden, wenn sie sich gegen den Glauben entschieden.
»Und … na ja, sie kam nie zurück«, gestand Lucy. »Anfangs schrieb sie meinen Eltern ständig Briefe und erzählte ihnen, was sie gerade so machte. Und plötzlich … nichts mehr. Kein Brief. Kein Wort. Sie war einfach … verschwunden. «
Emily drückte ihre kalten Hände auf die harten, abgelaufenen Holzdielen der Veranda. »Was ist ihr zugestoßen? «
Lucy zog hilflos die Schultern hoch. »Ich weiß es nicht. Sie hatte einen Freund, diesen Jungen aus unserer Gemeinde. Sie waren schon seit Jahren zusammen, ungefähr seit ihrem dreizehnten Geburtstag. Aber ich fand ihn immer etwas seltsam. Er war einfach … na ja, er war ihrer jedenfalls nicht würdig. Ich freute mich unheimlich, als er nach dem Rumspringa beschloss, die Gemeinschaft zu verlassen. Aber er wollte, dass Leah mit ihm ging. Er flehte sie sogar an. Aber sie lehnte immer ab.« Lucy zupfte ein bisschen getrockneten Dreck von ihrem Stiefel. »Meine Eltern sind der Ansicht, dass Leah bei einem Unfall oder eines natürlichen Todes gestorben ist. Aber ich habe mich immer gefragt, ob …« Sie brach ab und schüttelte den
Kopf. »Sie haben oft gestritten. Manchmal wurde es ziemlich heftig.«
Ein Windstoß löste eine dunkle Strähne aus Lucys Knoten. Emily zitterte.
»Wir haben die Polizei eingeschaltet. Meine Schwester wurde gesucht, aber man fand keine Spur. Die Beamten sagten uns, dass junge Menschen oft von zu Hause weglaufen und wir nichts weiter tun könnten. Wir haben sogar einen Privatdetektiv eingeschaltet, weil wir dachten, sie sei einfach weggelaufen und wolle nichts mehr mit uns zu tun haben. Selbst das wäre in Ordnung gewesen – weil es bedeutet hätte, dass sie noch am Leben war. Wir waren lange überzeugt davon, dass Leah irgendwo da draußen ist, aber irgendwann gaben meine Eltern einfach auf. Sie sagten, sie müssten einen Schlusspunkt setzen. Ich war die Einzige, die sich weiterhin an der Hoffnung festklammerte, sie wiederzufinden.«
»Das verstehe ich«, flüsterte Emily. »Ich habe auch jemanden verloren. Aber Menschen können wieder auftauchen. Es geschehen unglaubliche Dinge.«
Lucy drehte sich weg und schaute über das Feld zu einem großen Silozylinder. »Sie ist schon seit fast vier Jahren weg. Wahrscheinlich haben meine Eltern recht und Leah ist nicht mehr am Leben.«
»Gib sie nicht einfach auf!«, rief Emily. »So lange ist sie noch nicht weg.«
Ein Hofhund mit braunen Flecken, der kein Halsband trug, stapfte zur Veranda, beschnüffelte Lucys Hand und
legte sich dann zu ihren Füßen nieder. »Natürlich ist alles möglich«, sagte Lucy nachdenklich. »Aber vielleicht bin ich auch einfach zu naiv. Es gibt eine Zeit für Hoffnung und eine Zeit, um loszulassen.« Sie deutete auf einen kleinen Friedhof, der ein Stück die Straße weiter runter hinter der Kirche lag. »Wir haben einen Grabstein für sie aufgestellt und auch eine Beerdigung für sie ausgerichtet. Seitdem war ich aber nicht mehr dort.«
Sie begann zu weinen, ihr Kinn zitterte und sie gab einen erstickten Laut von sich. Dann beugte sie sich über ihre Beine und holte tief und keuchend Luft. Der Hund schaute sie mit seinen braunen Augen besorgt an. Emily legte Lucy die Hand auf den Rücken. »Weine nur.«
Lucy nickte. »Es ist so schwer.« Sie hob den Kopf, ihre Nasenspitze war leuchtend rot. Dann schenkte sie Emily ein trauriges kleines Lächeln. »Pastor Adams drängt mich immer dazu, mit jemandem darüber zu reden. Heute habe ich zum ersten Mal laut ausgesprochen, dass Leah vermutlich tot ist. Ich wollte es bisher einfach nicht glauben.«
Emily hatte einen dicken Kloß im Hals. Sie wollte auch nicht, dass Lucy das glauben musste – sie wünschte ihr die gleiche Hoffnung, die sie hatte, Ali wiederzusehen. Aber weil Emily Leah nicht persönlich kannte und weil Leah nicht Ali war, schätzte Emily die Lage realistischer ein. Menschen, die spurlos verschwinden, kommen meist nicht wieder nach Hause. Lucys Eltern hatten vermutlich recht und Leah war tot.
Ein einzelner heller Stern erschien über dem Horizont.
Emily wünschte sich seit ihrer Kindheit beim Anblick des Abendsterns etwas. Seit Ali verschwunden war, wünschte sie sich nur noch, dass diese wohlbehalten nach Hause kommen würde. Aber wenn sie nun ihr eigenes Leben so objektiv betrachtete wie Lucys, würde sie dann zu anderen Schlüssen gelangen, was Ali betraf?
Weitere Kostenlose Bücher