Pretty Little Liars - Mörderisch: Band 6
irgendwo in den Wäldern lag … oder hatte sein Verhalten einen anderen Grund?
Sie drehte sich um und starrte auf die leere Lichtung, als könne sie so Ians Leiche wiederauftauchen lassen. Sie würde niemals vergessen, wie sein eines Auge ins Leere geglotzt hatte. Ians anderes Auge war fest geschlossen gewesen. Sein Hals war auf unnatürliche Weise verdreht gewesen, und am Finger hatte er immer noch seinen Rosewood-Day-Schulring aus Platin getragen. Der blaue Stein hatte ganz leicht geschimmert.
Auch die anderen Mädchen starrten auf die leere Lichtung. Dann knackte tiefer im Wald ein Zweig. Hanna packte Spencers Arm. Emily quiekte. Alle erstarrten und lauschten. Spencer schlug das Herz bis zum Hals.
»Ich will nach Hause«, schluchzte Emily.
Alle nickten sofort und tauschten ängstliche Blicke. Solange die Polizei von Rosewood ihre Suche noch nicht begonnen hatte, waren sie hier draußen nicht sicher.
Sie folgten ihren Spuren zurück zu Spencers Haus. Als sie die Lichtung hinter sich gelassen hatten, sah Spencer den dünnen,
goldenen Strahl von Wildens Taschenlampe, der über die Baumstämme glitt. Sie blieb stehen. Ihr Herz schlug ihr schon wieder bis zum Hals. »Mädels«, flüsterte sie und deutete auf das Licht.
Wildens Taschenlampe ging sofort aus, als hätte er gespürt, dass sie ihn gesehen hatten. Seine Schritte wurden leiser und dumpfer, bis das Geräusch endgültig verschwand. Er ging überhaupt nicht zurück zu Spencers Haus, um eine Suchmannschaft zu holen, wie er ihnen gesagt hatte. Nein, er ging schnell in die genau entgegengesetzte Richtung … nämlich tiefer in den Wald hinein.
Kapitel 2
WIE MAN IN DEN WALD RUFT, SO SCHALLT ES HERAUS
Am folgenden Morgen saß Aria an dem gelben Resopaltisch in der winzigen Küche der Wohnung ihres Vaters in Old Hollis, dem Viertel rund ums Rosewooder College. Sie aß Frühstücksflocken mit Sojamilch und versuchte, den Philadelphia Sentinel zu lesen. Ihr Vater Byron hatte bereits das Kreuzworträtsel gelöst, und die Seiten waren mit Tintenflecken übersät.
Meredith, Byrons ehemalige Studentin und jetzige Verlobte, saß im Wohnzimmer, das direkt an die Küche angrenzte. Sie hatte ein paar Patchouli-Räucherstäbchen angezündet, die ganze Wohnung roch wie ein Headshop. Aus dem Fernseher drang beruhigendes Meeresrauschen, gelegentlich ertönten Möwenschreie. »Atmen Sie zu Beginn jeder Wehe tief und reinigend durch die Nase ein«, sagte eine Frauenstimme. »Formen Sie beim Ausatmen den Laut hiii, hiii. Versuchen wir es gemeinsam.«
»Hiii, hiii«, machte Meredith.
Aria unterdrückte ein Stöhnen. Meredith war im sechsten Monat schwanger und schaute sich seit einer Stunde Lamaze-Videos an, weshalb Aria durch Osmose jetzt alles über Atemtechniken, Geburtsbälle und die Schrecken von PDAs gelernt hatte.
Nach einer größtenteils schlaflosen Nacht hatte Aria frühmorgens ihren Vater angerufen und ihn gefragt, ob sie eine Zeit lang bei ihm und Meredith wohnen dürfe. Dann packte sie ein
paar Sachen in ihre norwegische Reisetasche mit Blumenmuster und verließ das Haus, bevor ihre Mutter Ella aufwachte. Aria wollte eine Konfrontation vermeiden. Sie wusste, dass ihre Mutter sich darüber wundern würde, dass sie lieber bei ihrem Dad und seiner Freundin, der Ehezerstörerin, leben wollte, besonders, weil Aria und Ella ihre Beziehung gerade erst repariert hatten. Mona Vanderwaal (als A.) hatte sie beinahe endgültig zerstört gehabt. Außerdem log Aria nicht gerne, und sie konnte Ella schließlich nicht den wahren Grund für ihren Umzug nennen. Dein neuer Freund steht auf mich und ist der Meinung, ich sei in ihn verknallt. Wenn sie das sagte, würde Ella wahrscheinlich nie wieder ein Wort mit ihr wechseln.
Meredith stellte den Fernseher lauter – offenbar übertönte ihre eigene Atmung die Anleitungen. Ein Gong ertönte. »Sie und Ihr Partner werden lernen, wie Sie die Schmerzen einer natürlichen Geburt lindern und den Geburtsvorgang beschleunigen können« , fuhr die Frauenstimme fort. »Zu diesen Techniken gehören Übungen im Wasser, Visualisierungen und durch den Partner herbeigeführte Orgasmen.«
»Oh mein Gott.« Aria legte sich die Hände auf die Ohren. Es war ein Wunder, dass sie noch nicht spontan taub geworden war.
Sie schaute wieder auf die Zeitung. Die Schlagzeile auf der Titelseite lautete: Wo ist Ian Thomas?
Gute Frage, dachte Aria.
In ihrem Kopf drehten sich die Ereignisse von gestern Abend im Kreis. Wie war es möglich, dass Ians Leiche
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