Pretty Little Liars - Teuflisch: Band 5
Plastikmülltüte entdeckt. Matsch und geschmolzener Schnee tropfte von dem Beutel, als sie ihn herauszog. Drinnen war alles noch trocken. Als erstes nahm sie das Freundschaftsbändchen heraus, das Ali nach der Jenna-Sache für sie gemacht hatte. Als nächstes Emilys pinkfarbene gesteppte Geldbörse. Spencer öffnete sie und durchstöberte das Innere. Das Kunstleder knarrte. Sie war leer. Spencer fand das Stück Papier, das Hanna in den Sack hineingetan hatte und beleuchtete es, so gut sie konnte, mit der Taschenlampe. Anders
als sie ursprünglich vermutet hatte, war es keine Nachricht von Ali, sondern ein Schülerbewertungsbogen, den Ali ausgefüllt hatte. Eine Bewertung von Hannas Referat über Tom Sawyer . In der gesamten Rosewood Day mussten sechste Klassen im Englischunterricht die Aufsätze ihrer Mitschüler bewerten, eine Art schulübergreifendes Experiment.
Alis Urteil über Hannas Aufsatz war fair und mild – nicht allzu nett, aber auch nicht zu gemein. Es schien, als habe sie die Bewertung schnell hingekritzelt. Wahrscheinlich war sie mit den Gedanken woanders gewesen. Spencer legte den Zettel beiseite. Sie holte den letzten Gegenstand vom Boden des Sacks heraus. Arias Zeichnung. Bereits damals hatte Aria beeindruckend gut Menschen portraitiert. Das Bild zeigte Ali, die grinsend vor der Rosewood Day stand, als würde sie sich über jemanden hinter deren Rücken lustig machen. Ein paar ihrer Handlangerinnen standen hinter ihr und kicherten.
Spencer ließ die Zeichnung enttäuscht auf ihren Schoß fallen. Auch hier war nichts Ungewöhnliches zu finden. Hatte sie wirklich eine wundersame Antwort erwartet? War sie wirklich ein derartiger Idiot?
Dann aber leuchtete sie noch einmal mit der Taschenlampe über die Zeichnung. Ali hielt etwas in ihren Händen. Es sah aus wie ein Stück Papier … Spencer drückte die Taschenlampe direkt an das Blatt. Aria hatte die Überschrift skizziert. Morgen beginnt die Jagd nach der Zeitkapsel-Flagge!
Die Zeichnung und das Foto, das am Eiffelturm lehnte, waren beide am gleichen Tag entstanden. Wie das Foto hatte auch Aria genau jenen Augenblick eingefangen, in dem Ali den Flyer heruntergerissen und verkündet hatte, dass sie ein Stück der Zeitkapsel-Flagge finden würde. Aria hatte auch jemanden
hinter Ali stehend skizziert. Spencer presste ihre Taschenlampe gegen das Papier. Ian.
Ein kühler Windstoß tanzte über Spencers Gesicht. Ihre Augen tränten immer noch von der Kälte, aber sie zwang sich, sie weit offen zu halten. Arias Skizze stellte Ian bei Weitem nicht so diabolisch oder hinterhältig dar, wie Spencer es in Erinnerung gehabt hatte. Stattdessen hatte ihn Aria ziemlich … erbärmlich aussehen lassen. Er starrte Ali mit aufgerissenen Augen und einem dümmlichen Lächeln auf dem Gesicht an. Ali hingegen hatte sich von ihm weggedreht. Ihre Miene war arrogant, als würde sie denken: Bin ich nicht die Allertollste? Selbst scharfe Typen aus der Oberstufe wickle ich um den kleinen Finger.
Spencer zerknüllte das Papier. Aria hatte die Szene genauso gezeichnet, wie sie sich abgespielt hatte. Sie hatte bestimmt damals noch keine Ahnung von Ali und Ian gehabt, sondern lediglich das skizziert, was sie sah: Ian, der liebestoll und verletzlich aussah. Und Ali, die aussah … wie Ali. Wie ein gemeines Miststück.
Ali und ich haben miteinander geflirtet, aber das war alles. Sie war nie daran interessiert, den nächsten Schritt zu machen, hatte Ian gesagt. Aber dann hat sie … plötzlich … ihre Meinung geändert.
Die Bäume am Pool warfen schwarze, spinnenförmige Schatten. Die hölzernen Windspiele am Dach der Scheune schlugen zusammen, es klang wie das Klappern von Knochen. Ein Schauder rann von Spencers Nacken bis hinunter zu ihrem Steißbein. Konnte das wahr sein? Hatten Ian und Ali wirklich nur harmlos geflirtet, lediglich ein bisschen Spaß miteinander gehabt? Wenn das stimmte, was hatte dann dazu geführt, dass Ali ihre Meinung geändert und sich entschieden hatte, ihn doch an sich heranzulassen?
Das Ganze war wirklich schwer zu glauben. Wenn Ian die Wahrheit über Ali erzählt hatte, dann war womöglich alles, was er vor zwei Tagen auf der Veranda zu Spencer gesagt hatte, ebenso wahr. Dass er kurz davor war, ein Geheimnis zu lüften. Dass es bei der Geschichte noch etwas gab, das sie nicht verstanden. Und dass nicht Ian Ali getötet hatte – sondern jemand anderes.
Spencer drückte sich die Hand auf die Brust, aus Angst, ihr Herz würde aufhören zu
Weitere Kostenlose Bücher