Pretty Little Liars - Teuflisch: Band 5
Familie nicht noch einmal zu zerstören.
Kapitel 29
DIE GANZE ERBÄRMLICHE WAHRHEIT
Spencer hatte einen Vorteil gegenüber allen anderen, die planten, die Benefizveranstaltung zu verlassen, ohne dass es Wilden auffiel: Es war ihr Haus, und sie kannte alle geheimen Ausgänge. Wilden wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass es auf der Rückseite der Garage eine Tür gab, die direkt in den Hinterhof führte. Sie hielt nur kurz an, um eine kleine Taschenlampe aus dem Gartenzubehör ihrer Mutter zu holen, eine waldgrüne Regenjacke anzuziehen, die an einem Kleiderhaken an der Wand hing, und ihre Füße in ein Paar ausrangierter Reitstiefel zu stopfen, die zufällig auf dem Garagenboden neben den alten Jaguar XKE ihres Dads gelandet waren. Die Stiefel waren nicht gefüttert, doch würden sie ihre Füße wärmer halten als ihre Riemchen-Stilettos von Miu Miu.
Der Himmel war schwarz-violett, Dunkelheit umgab sie, als sie aus dem Licht des Hauses heraustrat. Spencer rannte am Rand des Hofes entlang und hielt sich dicht neben den gefrorenen Blaubeerbüschen, die ihr Grundstück von Alis altem Haus abgrenzten. Der kleine Strahl der Taschenlampe tanzte über den unebenen Boden. Glücklicherweise war der meiste Schnee geschmolzen, sodass es leicht sein würde, die vergrabene Mülltüte zu finden.
Spencer war bis zur Hälfte ihres Hofes gekommen, als sie einen Zweig knacken hörte und erstarrte. Langsam drehte sie
sich um. »Hallo?«, flüsterte sie. Es war eine mondlose Nacht und der Himmel war gespenstisch klar und voller Sterne. Gedämpfte Geräusche von der Party wehten über den Rasen. Irgendwo, sehr weit weg, schlug eine Autotür zu.
Spencer biss sich heftig auf die Lippe und ging weiter. Ihre Stiefel schleiften durch die Mischung aus Schneewasser und Matsch. Die Scheune lag direkt vor ihr. Melissa hatte das Licht auf der Veranda angemacht, doch der Rest der Scheune war dunkel. Spencer lief direkt zum Rand der Veranda und stand dann sehr still. Sie atmete schwer, als wäre sie gerade sechs Meilen mit ihrem alten Feldhockeyteam gerannt. Von hier aus wirkte ihr Haus so klein und weit weg. Die Fenster glühten gelb und sie konnte vage die Umrisse der Leute im Inneren erkennen. Andrew war dort drinnen, und ihre alten Freunde auch. Und Wilden. Vielleicht hätte sie ihm das Ganze überlassen sollen. Doch dafür war es jetzt zu spät.
Eine leichte Brise strich über ihren Nacken und ihre nackten Beine. Das Loch, das sie für die Mülltüte gegraben hatten, war leicht zu finden, ein paar Schritte links neben der Scheune in der Nähe des gewundenen Steinplattenpfades. Spencer schauderte, als sie von einem Gefühl der Vorahnung, einem Déjà-vu, überwältigt wurde. Die Pyjamaparty in der siebten Klasse hatte in einer ganz ähnlichen, ebenfalls mondlosen Nacht stattgefunden. Nach ihrem Wortwechsel in der Scheune war Spencer Ali hierher nach draußen gefolgt und hatte verlangt, dass sie wieder zurück ins Haus kommen sollte. Und dann hatten sie diesen dämlichen Streit wegen Ian gehabt. Spencer hatte die Erinnerung so lange verdrängt, aber nun war sie wieder in ihrem Bewusstsein, und Spencer war sich sicher, dass sie ihr ganzes Leben lang niemals wieder Alis verzerrtes Gesicht vergessen
würde. Ali hatte Spencer ausgelacht und verhöhnt, weil sie Ians Kuss ernst genommen hatte.
Spencer war so verletzt gewesen, dass sie Ali heftig schubste. Ali war hingefallen und ihr Kopf war mit einem entsetzlichen Knacken auf den Steinen aufgeschlagen. Es war ein Wunder, dass die Polizei nie den Stein gefunden hatte, den Ali erwischt hatte – es hätten Blutspuren daran sein müssen oder zumindest Haare. In Wahrheit hatte die Polizei in den ersten entscheidenden Wochen nach Alis Verschwinden bis auf das Innere der Scheune so gut wie gar nichts untersucht. Sie waren davon ausgegangen, dass Ali einfach abgehauen war. War das einfach ein Versehen gewesen? Oder gab es einen Grund, dass sie nicht genauer nachsehen wollten?
Es gibt etwas, das du nicht weißt , hatte Ian gesagt. Die Polizisten wissen Bescheid, aber sie ignorieren es. Spencer biss die Zähne zusammen und versuchte, sich den genauen Wortlaut ins Gedächtnis zu rufen. Ian war verrückt. Die Welt verbarg keine Geheimnisse. Es existierte nur die Wahrheit: Ian hatte Ali umgebracht, weil sie vorhatte, ihre Beziehung öffentlich zu machen.
Spencer zog ihr Kleid nach oben, kniete sich hin und wühlte in dem weichen, umgegrabenen Dreck. Endlich hatten ihre Hände den Rand der
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