Pretty Little Liars - Vollkommen
e. cummings bis Rilke, und nicht nur eine, sondern gleich zwei Ausgaben von
Geschlossene Gesellschaft . Da stand die Edgar-Allan-Poe-Gesamtausgabe, die Sean nicht gelesen hatte. Alle Bücher sahen zerlesen und benutzt aus. »Ich konnte einfach nicht darüber hinwegsehen, was Hester getan hat«, sagte Aria leise. »Sie hat Ehebruch begangen.«
»Aber wir als Leser sollen mitfühlen mit ihr, wir sollen Anteil nehmen an ihrem Kampf und daran, wie die Gesellschaft sie gebrandmarkt hat, wie sie versucht, sich ihre eigene Identität zu schaffen, und wie sie es nicht zulässt, dass man sie in eine bestimmte Form presst.«
»Ich hasse sie, okay?«, explodierte Aria. »Und ich werde ihr nie verzeihen!«
Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Tränen strömten ihr über die Wangen. Wenn sie die Augen schloss, sah sie Byron und Meredith als die sündigen Liebenden und Ella als Hesters rachsüchtigen, betrogenen Ehemann. Aber wenn das Leben wirklich die Kunst imitierte, dann sollten Byron und Meredith die Leidenden sein … nicht Aria. Sie hatte gestern Abend versucht, zu Hause anzurufen, aber sobald Ella Arias Stimme erkannte, hatte sie aufgelegt. Und als Aria ihrem kleinen Bruder in der Turnhalle zuwinkte, hatte Mike sich auf dem Absatz umgedreht und war in die Umkleidekabine marschiert. Niemand war auf ihrer Seite.
»Holla«, sagte Ezra leise, als Aria einen erstickten Schluchzer ausstieß. »Schon okay. Du mochtest das Buch also nicht. Kein Problem.«
»Sorry. Ich bin nur …« Sie spürte heiße Tränen auf ihren Händen. In Ezras Zimmer war es sehr still geworden,
sie hörte nur das leise Surren seines Computers, das Summen der Neonröhre und die fröhlichen Rufe vom Spielplatz der Grundschule.
»Willst du darüber reden?«, fragte Ezra.
Aria wischte sich mit dem Ärmel ihres Blazers über die Augen. Sie zupfte an einem losen Faden an einem Couchkissen. »Vor über drei Jahren hatte mein Vater eine Affäre mit einer Studentin«, sagte sie dann. »Er ist Professor am Hollis College. Ich wusste die ganze Zeit davon, aber er bat mich, meiner Mutter nichts zu erzählen. Und jetzt … sind sie wieder zusammen und meine Mom hat es herausgefunden. Sie ist unglaublich wütend, weil ich ihr nichts gesagt habe … und jetzt ist mein Dad gegangen.«
»Jesus«, flüsterte Ezra. »Ist das vor Kurzem passiert?«
»Vor ein paar Wochen, ja.«
»Gott.« Ezra starrte zur Decke empor. »Das klingt nicht sehr fair von deinem Dad. Und von deiner Mom auch nicht.«
Aria hob die Schultern. Ihr Kinn begann wieder zu zittern. »Ich hätte es meiner Mom nicht verheimlichen sollen. Aber ich wusste nicht, wie ich es hätte sagen können.«
»Es ist nicht deine Schuld«, sagte Ezra.
Er stand auf, ging um seinen Schreibtisch herum, schob einen Papierstapel zur Seite und setzte sich auf die Tischkante. »Okay. Ich habe das noch nie jemandem erzählt, aber als ich in der Highschool war, habe ich gesehen, wie meine Mom ihren Arzt küsste. Sie hatte damals Krebs und mein Vater war viel unterwegs, also bat sie mich, sie zur Chemotherapie zu fahren. Einmal, als ich auf sie gewartet
habe, musste ich aufs Klo, und auf dem Rückweg sah ich, dass die Tür zum Untersuchungszimmer offen stand. Ich weiß nicht, warum ich hineingeschaut habe, aber … ich sah, wie sie sich küssten.«
Aria schnappte nach Luft. »Was hast du gemacht?«
»Ich habe so getan, als hätte ich nichts bemerkt. Meine Mom hatte keine Ahnung, dass ich sie gesehen hatte. Zwanzig Minuten später kam sie ordentlich gekleidet aus dem Zimmer und war plötzlich sehr in Eile. Ich weiß noch, dass ich sie darauf ansprechen wollte, aber ich konnte es einfach nicht.« Er schüttelte den Kopf. »Dr. Poole. Ich konnte ihm danach nie wieder vertrauen.«
»Sagtest du nicht, deine Eltern seien geschieden?«, fragte Aria, die sich an das Gespräch in Ezras Wohnung erinnerte. »War deine Mom danach mit Dr. Poole zusammen?«
»Nein.« Ezra griff in die McNuggetschachtel. »Meine Eltern haben sich ein paar Jahre später scheiden lassen. Da waren der Krebs und Dr. Poole längst Geschichte.«
»Gott«, war alles, was Aria dazu einfiel.
»Ja, das war echt Mist.« Ezra spielte mit einem Stein in dem Mini-Steingarten, der am Rand des Schreibtisches stand. »Ich habe die Ehe meiner Eltern idealisiert. Mir kam nie in den Sinn, dass sie Probleme hatten. Meine ganze Vorstellung von Beziehungen war zerstört.«
»Das ist meine auch«, sagte Aria düster und fuhr mit dem Fuß an einem Stapel
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