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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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er musste 'ne Menge Beschimpfungen über
sich ergehen lassen.«
    Rocco öffnete sich den Kragen und zog den Schlipsknoten
auf. Er fuhr sich mit dem Finger über die feuchte Stirn. »Ist er je in irgendwelche
Schlägereien verwickelt worden? Hat ihn irgendjemand jemals bedroht?«
    »Ja, nun, ein paarmal haben ihn ein paar Burschen
aufgefordert rauszukommen, haben gesagt, sie würden auf ihn warten. Was wirk lich Übles
ist nur einmal passiert. Victor ist an der Tür, wissen Sie, fragt einen
Burschen, was er will, und der Typ sagt, er will sich bloß umschauen. Victor
sagt etwas wie: >Du solltest wissen, was du willst, weil, vielleicht haben
wir das gar nicht<, und dieser Bursche, er wird sauer, er denkt, dass Victor
ihn beleidigen will, verstehen Sie? Wie nennen die das? Blöd anmachen, also
fängt er an, Victor einen Nigger zu schimpfen, einen Wachnigger.«
    Rocco
grunzte angewidert, und dann überraschte ihn Kiki, indem sie einen der Steine
aus ihrer Hand nahm und ihn sich in den Mund steckte, als handle es sich um ein
Lutschbonbon.
    »Wie auch
immer, Victor will gerade die Tür zusperren.« Sie spuckte den Kiesel zurück in
die Hand. »Und dann greift dieser Bursche in seine Tasche, und ich krieg
beinahe einen Herzanfall. Ich dachte, er zieht eine Waffe, weil, er hatte
diesen Blick ... Aber wissen Sie, was er rauszieht? Einen
Hundert-Dollar-Schein. Er hält ihn hoch und sagt: >Das halte ich
von dir, du Arschloch<, knüllt ihn dann zusammen und wirft ihn Victor
mitten ins Gesicht, sagt: >Hier ist dein Lohn, Nigger. Aber wenn ich dich
das nächste Mal sehe, dann puste ich dir ein Loch in die Brust, darauf kannst
du dich verlassen<.«
    Rocco hob
seine Augenbrauen, und Kiki nickte, bekräftigte den Wahrheitsgehalt ihrer
Geschichte.
    »Na egal,
der Typ verschwindet, und Victor schließt die Tür, als sei nichts geschehen.
Die hundert Dollar liegen einfach da auf dem Gehsteig, er schaut sie nicht mal
an, er steht nur neben dem Regal mit den Kimonos, wie so ein Holzindianer vor
einem Zigarrenladen. Der Bursche, der vorbeikam, muss wohl ein Dealer oder so
was gewesen sein, so viel Geld wirft man doch nicht einfach weg. Na egal,
Victor tat mir wirklich leid. Das Geld lag da bestimmt zwei Stunden, bevor es
jemand aufhob. Ich meine, wir beide hielten zwei Stunden den Atem an. Und als
es endlich jemand aufhob, sah ich Victor, und sein ganzer Körper ...« Sie ließ
sich mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung nach vorn sinken.
    Rocco warf einen abwesenden Blick auf den neuen
Wachmann. »Haben Sie den Burschen je wiedergesehen? Den mit dem Geld?«
    »Nein. Aber manchmal kommt da eine Gruppe von Frauen,
keine Mädchen, Frauen, die arbeiten, Sie wissen schon, Leute von außerhalb.«
    Rocco nickte, nahm an, dass sie mit »außerhalb« meinte,
dass es sich nicht um Weiße handelte.
    »Ich weiß nicht, was sie arbeiten, aber manchmal sind
da fünf oder sechs da draußen und versuchen reinzukommen. Ich hab Victor gesagt,
er soll immer nur zwei auf einmal reinlassen, und, wissen Sie, die waren total
beleidigt. Aber mein Preisaufschlag ist nicht so groß, dass ich 'ne Menge
Ladendiebstahl abschreiben kann, und wenn ich mir ein paar Beleidigungen
einfange, weil ich ein Auge auf meine Ware habe, nun gut. Aber schließlich war
er derjenige, der den Leuten die Tür vor der Nase zugehalten hat, also ...«
    Sie zuckte mit den Schultern und sah sich um. »Scheiße,
diese Stadt... verstehen Sie, was ich meine?«
    »He, deshalb lebe ich in Dempsy«, sagte Rocco. Als er
bemerkte, dass er für einen Moment lang seine Adresse vergessen hatte, war er
ein wenig durcheinander. Plötzlich drängte es ihn, das Ganze zu Ende zu
bringen. »Also hat Victor hier drin nie die Nerven verloren?«
    »Er war der Beste. Wissen Sie, wir hatten eine Menge
Zeit totzuschlagen, er und ich. Wir hatten diese langen, langen Unterhaltungen.
Na ja, meistens einseitig, er redete nicht sehr viel, aber er war ... Ich habe
niemals irgendeine Wut verspürt, irgendeine negative Einstellung. Er war ein
guter Kerl, ein echter Schatz.«
    »Okay.« Rocco schob die Hände in die Taschen und wandte
sich langsam zur Tür. »Letzte Frage. Was haben Sie geglaubt, als Sie davon
erfahren haben, dass er verhaftet worden ist? Was war der erste Gedanke, der
Ihnen in den Sinn kam?«
    »Hören Sie«, sagte sie langsam. »Ich sag Ihnen was.
Victor ließ sich nie provozieren, in keiner Weise. Ich weiß nicht, wie er so
ruhig bleiben konnte bei diesen Frauen und diesen Bengeln da draußen.«

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