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Prickel

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Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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schließlich, mit einer Mischung aus Lebensüberdruß und bodenloser Resignation, zu sagen: >Ein allerletztes Mal, wirklich, und das auch nur, weil du es bist, Kristof.<
    So gesehen war Heiner Sültenfuss gar nicht mal so schlecht beraten gewesen, mich mit der Suche zu beauftragen. Während ich den Motor anließ, stellte ich mir im Kopf eine Liste zusammen. Natürlich hätte ich telefonieren können. Doch erstens gibt es kaum einen Berufsstand, der das Telefon so abgründig haßt, wie der des selbständigen Automechanikers, hat das Ding doch die Angewohnheit, immer in den unpassendsten Augenblicken zu schrillen, und zweitens kann man am Telefon den Leuten nicht in die Augen sehen. Und drittens macht es mich wuschig, auf dem Hintern zu sitzen. Ich brauche Bewegung. Also. Der erste auf meiner geistigen Liste war ein wirklich guter Bekannter, fast schon ein Freund.
    Der Hof lag verlassen, die Werkstatt entvölkert, aus dem weiter hinten gelegenen Zwinger kam ein kurzes, wenig überzeugtes Bellen. Die Türe zum Büro stand offen. Hindurch ich schritt. Michael Dohlenfeld, kurz Dohle, saß bequem zurückgelehnt in seinem ledernen, auf dem Fuß eines Drehstuhls montierten Mercedes-S-Klasse-Fahrersitz, die Füße in Cowboystiefeln auf dem Schreibtisch, die mächtigen Arme hinter dem Kopf verschränkt, sah mich unter hängenden Lidern hervor träge an und knurrte: »Hamwernich.«
    Dohle hat, unter anderem, eine kurze Karriere als männliches Model hinter sich. Von ihm wohl für besonders gelungen gehaltene Zeugnisse dieser Tätigkeit zieren einen Teil seiner Bürotapete. Wie immer, wenn ich reinkarn, stellte ich mich erstmal davor, schauen, ob nichts Neues dabei sei. Leider nein. Mein Lieblingsfoto war das, auf dem sie ihn in die orangerote Kluft eines Müllmannes gesteckt hatten. Ich mochte vor allem den Blick, mit dem er in die grüne Abfalltonne linste, als ob er darin was fürs Abendbrot zu finden hoffte.
    Ich sagte: »Ich werde nie verstehen, warum du bei der Müllabfuhr aufgehört hast. War doch ein Bombenjob.«
    Cowboystiefelhacken trafen mit einem harten Geräusch auf Holzfußbodendielen.
    »Kryszinski, zum einhunderttausendsten Mal: Ich war nie bei der Müllabfuhr! Ich habe für Berufskleidung Modell gestanden. Wann kriegst du das endlich in deinen dicken Schädel?«
    »Modell?« fragte ich und ließ meine Augen aufleuchten, als ich mich zu ihm drehte. »Fotomodell? So wie diese kreuzdämliche Blonde mit den dicken Dudeln, wie heißt sie noch gleich .?«
    »Claudia Schiffer.«
    »Ja, genau die. Mann, damit soll man ja einen Haufen Geld verdienen können.«
    »Geht so«, knurrte Dohle, um dann, nach einer winzigen, nachdenklichen Pause hinterherzuschicken: »Wo wir gerade von Geld sprechen .«
    Mist. Na, was mußte ich auch davon anfangen. Selbst Schuld. Rasant besann ich mich auf den eigentlichen Grund meines Besuches.
    »Frag mich nicht, woher«, versuchte ich, dem Gespräch eine neue Richtung zu geben, »aber mir ist zu Ohren gekommen, man habe dir einen ganzen Schwung gebrauchter Motoren angeboten. Daimler, Porsche, Rover V8. Stimmt das?«
    Dohle stützte die Arme auf den Schreibtisch. »Warum?« fragte er zurück und grinste schwach. »Brauchst du 'nen Porsche-Motor?«
    »Hat man, oder hat man nicht?«
    »Und wenn?«
    »Für einen Namen könnte es ein paar Blaue geben.«
    »Könnte ... ein paar ...« Dohle ließ die Worte auf der Zunge zergehen. »Du verstehst es, die Leute anzufuttern, Kristof, ehrlich. Doch ich weiß etwas Besseres: Wird es ein Paar Blaue geben, mit großem >P<, und zwar jetzt gleich.« Er hielt mir die Rechte hin, Handfläche nach oben, und ließ Zeige- und Mittelfinger fordernd winken.
    »Was war das noch gewesen«, sinnierte er dabei, »Vergaser, Wasserpumpe, neue Kerzen und Kontakte . Hab ich irgendwas vergessen?«
    Ich sog schnalzend an einem Zahn. »Gerade heute hast du mich da auf dem falschen Fuß erwischt«, bekannte ich und versuchte ehrlich bedauernd zu klingen. »Bin so gut wie abgebrannt, im Moment.« Wer noch nie für Detektive gearbeitet hat, weiß gar nicht, wie schwer es sein kann, an sein Geld zu kommen. »Doch um noch von den Motoren zu sprechen -«
    Dohle unterbrach mich mit einem langsamen und gleichmäßigen und ehrlich bedauernd wirkenden Kopfschütteln. »Bevor wir weiterverhandeln -« Vielsagend blickte er auf seine beiden Finger, die die ganze Zeit nicht aufgehört hatten zu winken. Winkten und winkten, geradezu hypnotisch, und winkten mir dann letzten Endes

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