Prickel
tatsächlich zwei Hunderter direkt aus der Hosentasche.
»Schön«, sagte Dohle und hielt sie wie beiläufig kurz gegen das Licht, ehe er sie in seiner eigenen Tasche verschwinden ließ.
Ich atmete einmal ein, einmal aus und zog mir dann einen Stuhl ran. Es wurde Zeit für ein wenig Klartext. Ernst beugte ich mich zu ihm rüber und sagte: »Paß auf: Ich sehe nur Geld, wenn mein Klient seine Motoren wiedersieht. Tut er das, und du hast den entscheidenden Tip gegeben, kriegst du von mir fünfhundert. Also spuck's aus, wenn du etwas weißt, oder ruf mich an, wenn du etwas hörst, okay?«
Dohle beugte sich ernst zu mir rüber und antwortete: »Paß auf: Ich habe da draußen seit zehn Wochen einen Morgan stehen, den sein Vorbesitzer ohne Öl gefahren hat.
Wenn also jemand kommen und mir einen günstigen Rover V8 anbieten sollte, wirst du so ungefähr der Letzte sein, dem ich das anschließend auf die Nase binden werde. Okay?«
Nun gut, er hatte also noch nichts gehört. Soviel wußte ich jetzt. Ich dachte einen kleinen Augenblick nach.
»Ruf mich trotzdem an«, sagte ich. »Mit dem Rover-Motor ...« (kleine >Schwupps<-Geste) ... »drehen wir dann einen. Und die fünfhundert gibt's auch noch. Na, wie hört sich das an?«
Dohle lehnte sich langsam zurück, legte die Beine wieder auf den Schreibtisch und verschränkte die Hände wieder hinter dem Kopf.
»Besser«, fand er.
Höchstwahrscheinlich ist es Blödsinn, doch von Zeit zu Zeit meine ich, am Klingeln hören zu können, wer anzurufen versucht. Als Dohles Telefon plötzlich und energisch zu schrillen anfing, hatte ich eine dieser Eingebungen. Es war eigentlich alles gesagt, also verabschiedete ich mich hastig, noch bevor er Gelegenheit hatte abzuheben, und eilte mit langen Schritten zum Auto. Gott sei Dank war mein Auspuff hinüber, so daß ich ihn nicht nach mir rufen hören konnte, und ich blickte auch nicht in den Rückspiegel, wo ich ihn sonst in der Bürotüre stehen und mit dem Hörer gestikulieren hätte sehen können.
Wenn ich nicht gerade verkatert bin, macht mir die Hitze eigentlich kaum etwas aus. Fenster runtergekurbelt, Arm raus und dann rollen lassen. Ab in Richtung Selbeck, ein Dorf scharf an der südlichen Stadtgrenze, zweigeteilt durch eine der meistbefahreren Ausfallstraßen unserer Stadt. Nach kaum zwanzig Minuten Verkehrsgewühls vom Allerübelsten ließ ich die Carina im knirschenden Kies von Kurt Hoffmanns Kundenparkplatz ausrollen. Kurt und ich sind zusammen zur Schule gegangen. Ein Jahr sogar in dieselbe Klasse, glaube ich, doch dann ist einer von uns beiden hängengeblieben, oder abgegangen, oder . was auch immer. Das ist alles schon so lange her.
Am weit offenstehenden Tor zu seiner Werkstatt kam mir ein kleines blondes Mädchen knapp zuvor, die sich mit einem Kinderfahrrad mit blockiertem Hinterrad abmühte. Die Kette war ab, wie es aussah. Drinnen hing der Meister über dem vorderen Kotflügel eines Fords und fuhrwerkte in dessen Eingeweiden herum. Aus irgendeiner Ecke plärrte ein Radio. Die Kleine schleifte ihr Rad bis direkt zu ihm hin, sagte irgend etwas, was vom Plärren des Radios übertönt wurde und zog ihn schließlich nicht eben sanft am Hosenbein. Kurt schreckte hoch, ließ kloing! einen Schraubenschlüssel fallen und stieß sich bang! an einer scharfen Kante der Motorhaube den Kopf, bevor er herumfuhr, mit Mordlust in den Augen. Mich sah er zuerst, und seine Fäuste ballten sich, dann fiel sein Blick auf die Kleine zu seinen Füßen, und die Fäuste entkrampften sich wieder. Nur die finstere Miene blieb.
»Hrm«, machte er mißmutig und rieb sich die schmerzende Stelle. Mich beachtete er erstmal gar nicht weiter.
»Was gibt's denn?« fragte er verdrießlich. Die Kleine begann einen weinerlichen Singsang, zeigte auf ihr Fahrrad, die abgesprungene Kette, hinaus auf die Straße, schließlich auf ihr verschrapptes Knie und wollte, ob der Erinnerung an Schreck und Schmerz, gerade anfangen zu schniefen, als ihr der Meister hastig zuvorkam.
»Laß mal sehen«, meinte er, immer noch knurrig und keineswegs tröstend, nahm ihr das Fahrrad ab, schwang es umgedreht auf eine Werkbank und hatte im nächsten Augenblick Hinterrad und Kette in der Hand.
»Mangelnde Pflege und Wartung«, grollte er das Mädchen an und ließ die Kette von seinem Zeigefinger baumeln. »Mangelnde Pflege und Wartung haben deine Kette ruiniert.
Die Reparatur wird nicht billig.« Die Kette war nun wirklich in einem Zustand wie nur je eine von meinen. Sie
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