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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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Exemplar mit wulstigen Lippen und kleinen, starren Augen machten.
    »Das hier?« der Pfleger lachte, wenn auch unfroh.
    »Das sind alles nur ganz, ganz liebe Jungs. Erpresser oder Bombenbastler, zwanghafte Exhibitionisten«, (die paar, die es nicht geschafft haben, beim Fernsehen Karriere zu machen, fügte ich in Gedanken hinzu), »Brandstifter. Wirklich harmlos, eigentlich.«
    Ich konnte den Blick des Riesen, den wir gerade umschifft hatten, in meinem Nacken brennen spüren und durchlitt eine kleine Vertrauenskrise.
    »Viele Sonderbegabte darunter«, fuhr er im Plauderton fort, »viele Drogenköpfe. Eine ganze Menge Psychologen, übrigens, und jede Menge Feuerwehrleute. Je-de Men-ge. Wenn's hier mal brennen sollte, sage ich immer ... -« doch er ließ den Satz auslaufen. Wir bogen um eine Ecke und stoppten vor einem Gitter mit einer Tür darin. Der Gang dahinter war menschenleer. Massive hölzerne Zellentüren mit Stahlrahmen erstreckten sich in gleichmäßigen Abständen bis hinten zu seinem Ende.
    Der Pfleger zog einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und rasselte damit herum.
    »Hier«, sagte er mit einem Kopfnicken, suchte und fand den richtigen Schlüssel, steckte ihn ins Schloß, »hier sitzen die richtigen Fälle. Die Würger, Verstümmler, Kannibalen, Vergewaltiger, Vater-Mutter-Kinder-Frauen- und sonstigen Mörder.«
    »Natürlich können viele nichts dafür«, räumte er mit dem routinierten Verständnis dessen ein, dem dieser Satz tausendmal eingeimpft worden ist, ohne letztendlich zu einer Überzeugung geführt zu haben, »und doch .« und hier sah er mich aus zusammengekniffenen Augen dünn lächelnd an, ». und doch ist jeder einzelne in diesem Trakt hier eine richtige Bestie.«
    Gott, das Zeug brannte im Hals! Ein, zwei Schlucke nur, und mein Herz raste. Ich hustete und spuckte und schnappte nach Luft. Nina und Det lachten schrill.
    Tränen standen in meinen Augen. Alles schwamm. Entweder, das Zimmer geriet in Bewegung, oder mein Kopf rollte hin und her.
    Ninas Hände waren überall, jetzt. Dets hysterisches Gelächter hallte in meinen Ohren. Alles ging viel zu schnell. Ich schloß die Augen, nur kurz.
    »Los, komm! Jetzt ich!«
    »Aua! Du tust mir weh!«
    »Los, los, los!«
    »Auuu! He, ich kann alleine laufen!« »Komm schon, Schlampe, rein da!«
    »Hey, was ist? Bist du sauer wegen irgendwas? Es war doch gerade noch so —«
    »Ich sagte: rein da! Nutte!«
    »Ja, ich geh ja schon. Beruhige dich, ja? Sag, ist alles in Ordnung? Was siehst du mich so an? Warum starrst du mich so an? ... Sag doch was! ... He, laß uns wieder rübergehn und noch was trinken, ja? . Ja? . Bitte?«
    Als ich die Augen wieder öffnete, war ich allein. Der Cassettenrecorder dudelte, die eine Kerze brannte, das flache Tischchen schwamm vor vergossenem Schnaps. Aus dem Zimmer nebenan kamen Geräusche. Nina und Det waren wohl ins Schlafzimmer gegangen. Meine Hose stand noch offen, und auf meinem Hemd war ein ziemlicher Fleck. Das würde ich in die Wäsche geben müssen. Ich atmete immer noch schwer, und mir war schwindelig. Ich fragte mich, ob ich wohl aufstehen könnte. Die Geräusche nebenan wurden lauter. Seltsame Geräusche. Als liefen zwei Fernseher gleichzeitig. Einer mit einem Sexfilm und einer mit einer Prügelszene.
    Dieses Stöhnen . Dieses Klatschen . Wieder bewegte sich das Zimmer, und ich schloß noch mal die Augen.
    »Hee, aufwachen!!« Dets Schneidbrennerblick bohrte sich in meinen. Seine Finger hatten sich in mein Haar verkrallt. Er atmetet stoßweise. Er sah wild aus. Schlimmer denn je.
    »Es ist etwas passiert«, keuchte er. »Nina — . sie braucht Hilfe!«
    Ich stemmte mich aus dem Sessel hoch. Der Raum kippte nach einer Seite. Det griff meinen Arm. Er trug Handschuhe. Sie waren voller Blut.
    »Ein Unfall«, stammelte er. »Schnell, schnell. Sie ruft nach dir, hörst du? «
    Nein, ich hörte nichts. Nur das Gedudel des Recorders. Aber sonst nichts.
    »Hier, halt das mal eben.« Det drückte mir etwas in die Hand und schob mich durch eine Tür, schubste mich aufs Bett. Ab da hörte ich gar nichts mehr. Sehen forderte mir alles ab. Nina hätte gar nicht nach mir rufen können. Unmöglich. Aus . verschiedenen Gründen.
    Blut, Blut, Blut, Blut, Blut überall.
    Plötzlich wurde es hell in meinem Rücken, fast gleichzeitig heiß. Ich richtete mich auf, drehte mich um, sah Flammen, Flammen, die rasend schnell wuchsen, und sah dahinter, auf der anderen Seite, da, wo die Wohnungstüre war, noch ganz kurz Det. Er

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