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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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winkte mir zu, schon in Mantel, Schal, Mütze, ich dachte noch: >Bei dieser Hitze!<, und er grinste dieses unangenehme, kleine Grinsen, das er immer aufsetzt, wenn er sich für witzig hält.
    »Und man sieht es ihnen nicht unbedingt an«, meinte der Pfleger. »Ihrer hier«, - wir waren vor einer Zelle angekommen, und er unterbrach sich, um mit seinem Knüppel gegen die Tür zu schlagen und zu schreien: »Roselius, ich komm jetzt rein! Also schön mitten in den Raum stellen, mit Gesicht und Händen zu mir, verstanden? Sonst gibt's was zu schnüffeln!« -»also er hier«, wandte er sich wieder an mich und begann, aufzuschließen, »er macht komplett auf harmlos. Dabei hat er 'ne Nutte in Bottrop praktisch zerlegt. Mit 'nem Brotmesser. Der Kopf hing nur noch an 'nem Faden.« Er grinste mich an, kopfschüttelnd, ehe er die Zellentür aufriß und entschlossen hineinstürmte. Routiniert, fast schon beiläufig bohrte er dem Insassen, der weisungsgemäß aufgebaut gewartet hatte, seinen Schlagstock in den Bauch, drückte ihn so vor sich her bis in die hinterste Ecke, zwang ihn, sich auf die Pritsche zu setzen, befahl: »Hände vor!«, ließ ein paar Handschellen zuschnappen, die von einer kurzen Kette an der Wand baumelten, befahl: »Füße zusammen!« bückte sich und fesselte auch die kurzerhand an den stählernen Bettpfosten.
    »Gaanz ruhig!« sagte er noch, erhob sich, zeigte mir einen auf den Boden gepinselten Strich, sagte: »Bleiben Sie am besten auf dieser Seite davon«, und verzog sich.
    »Wenn Sie gehen wollen, klopfen oder rufen sie nach mir. Bin auf dem Gang. Sie haben noch« - Blick auf die Uhr - »elf Minuten.« Und rumms! Zu die Tür.
    Einen Moment lang sah ich sie an. Schluckte trocken. Ich hasse Türen ohne Klinke.
    Dann drehte ich mich meinem neuen Klienten zu. Mit furchtsamen, staunenden Augen blickte er mich an. Großen, staunenden Augen. Ich staunte zurück. Dieses glatzköpfige Riesenbaby, an dem die Hand- und Fußfesseln ungefähr so sinnvoll wirkten wie an einem Teddybären, das also sollte der >Schlächter von Bottrop< sein?
    Das Dach ist Gott sei Dank trocken gewesen und nicht sehr steil. Aber hoch. Verdammt hoch. Und kalt. Es war eine sternklare Nacht und, abgesehen vom Knistern und Knacken des Feuers, totenstill. Bis sich die Sirenen näherten.
    Rauch und Funken quollen aus dem Fenster, durch das ich rausgeklettert war, als die ersten Blaulichter vor dem Haus zum Stehen kamen.
    Ich saß da, mit den Füßen in der Dachrinne, und ich weiß noch, daß ich gewinkt habe, damit man mich bemerkte, aber runterzuschauen traute ich mich nicht.
    Immer mehr Sirenen heulten heran, immer mehr Blaulichter flackerten. Ein starker Scheinwerfer wurde auf mich gerichtet und blendete sehr. Von Gegenüber schrien sie >Spring! Spring doch!< und lachten grölend.
    »So«, sagte eine Stimme ganz nah bei mir, und ein Schatten schob sich vor den Scheinwerfer, »»jetzt haben wir es gleich geschafft. Geben Sie mir einfach Ihre Hand und steigen Sie zu mir in den Förderkorb. Das ist ganz leicht.«
    Ich spürte, daß ich zitterte. Meine Beine wollten mir nicht gehorchen. Alles, was ich sah, war ein dunkler, behelmter Umriß auf einer kleinen Plattform mit Geländer. Direkt vor mir. Es war wirklich nur ein Schritt. Trotzdem ...
    »Ganz ruhig. Sind Sie verletzt? Sie sind ganz voll Blut. Unten wartet ein Krankenwagen. Nur eine Frage: Ist sonst noch jemand in der Wohnung?«
    Die ersten Löscharbeiten begannen, und scharfe kleine Wasserstrahlen stäubten über mich.
    »Ich fragte: Ist sonst noch jemand in der Wohnung? Das ist wichtig. Hallo? Können Sie mich verstehen? Geben Sie mir jetzt Ihre Hand. Ich bringe Sie in Sicherheit.«
    Ich streckte meinen Arm aus. Erst da ist mir aufgefallen, daß ich immer noch das Ding umklammert hielt, das Det mir in die Hand gedrückt hatte.
    »»Oh, oh«, machte der Schatten vor mir, »»Augenblick noch«, und entfernte sich mit quietschenden Schritten die Leiter hinunter.
    Kurz darauf bellte eine Lautsprecherstimme von der Straße hoch: »Hier spricht die Polizei! Lassen Sie das Messer fallen! Wir kommen jetzt rauf!«
    Es war tatsächlich ein Messer. Ein Brotmesser. Klebrig vor Blut. Entsetzt warf ich es von mir und es klapperte die Pfannen hinab und fiel in die Rinne.
    Diesmal verdunkelten zwei Schatten den Scheinwerfer, und sie hielten sich nicht mit langen Vorreden auf, sondern packten mich und zerrten mich vom Dach. »Wir haben ihn!« schrie einer der beiden, und abwärts ging's.
    >Das ist

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