Prickel
10.000-Volt-Schweinstreibers besitzt. Nein, es war mehr. Nicht vorne, im Zwerchfell, sondern anderswo, in normalerweise schwer zu ortenden, weich gebliebenen Schichten meiner ansonsten nicht zuletzt durch die Schlechtigkeit der Frauen vollkommen verhärteten Seele spürte ich, daß bestialische Mörder einen wie auch immer anders gearteten Blick draufhaben müssen als schuldlos eingekerkerte Orang-Utans.
Die >Endstation< ist vertraglich an eine Mülheimer Brauerei gebunden, deren stolzes Produkt von den Konsumenten liebevoll >Schädel-Bräu< genannt wird. Muß ich mehr sagen? Na gut.
Gerade eben aus Ratingen zurück, bin ich Bernhard in die Arme gelaufen, meinem wuschelköpfigen Nachbarn, Wirt und Vermieter. Wir sind so ins Gespräch gekommen, erst auf der Treppe, dann, weil es einfach bequemer ist, am Tresen. Bernhard war an meiner Meinung interessiert gewesen: Er wollte die Kneipe verkaufen und sich an einem Bootsverleih auf diesem holländischen Schlammloch mit dem hochtrabenden Namen >Ijssel-Meer< beteiligen.
Ich war froh gewesen, daß er mich gefragt hatte. Denn selbstverständlich habe ich ihm abgeraten. Er will dauernd verkaufen, und ich rate ihm immer ab. Wirte, die auch bei sechsmonatigen Mietrückständen und vierstelligen Deckeln nicht anfangen, ungemütlich zu werden, darf man nicht sehenden Auges in ihr Verderben rennen lassen. Selbst wenn man eigentlich total früh ins Bett gewollt hatte.
Wenn es darum geht, Bernhard eine Schnapsidee auszureden, werde ich zu einem Spezialisten auf jedem beliebigen Gebiet. Bootsverleih? Ijssel-Meer? Kein Problem.
Unterstützt von dem einen oder anderen Täßchen Bier sprach ich von den Risiken dieser krisengeschüttelten Branche, dem Würgegriff der Konkurrenz, der generellen Unsicherheit aller schwimmenden Investitionen, sprach von den Launen des holländischen Wetters, den häufigen Flauten, verregneten Sommern, gefürchteten Scherwinden, Sturmfluten, der absolut toten Wintersaison ohne jegliche Einnahme.
Bernhard hatte mit wachsender Nachdenklichkeit genickt dazu.
>Bier, dagegen<, habe ich zu ihm gesagt - >Prost, übrigens - Bier, Bernhard, Bier wird immer getrunken!<
Nachdem ich diese fundamentale Weisheit sich ein wenig hatte setzen lassen, war ich zu dem übergegangen, was mich im Augenblick so beschäftigte, und den Rest des Abends haben wir dann verschiedene Thesen zu meinen verschiedenen Fällen entwickelt, sich anbietende Strategien unter ein prüfendes Licht gehalten und der diversen Rätsel mögliche Lösungen zu ergründen versucht, bis Bernhard irgendwann erneut von seinem Bootsverleih angefangen hat und alles wieder von vorne losgegangen ist.
Als ich also mit einer deftigen Schraubzwinge auf den Schläfen erwachte, pfiffen sie bei Mannesmann schon zur Mittagschicht. Und ich hatte so viel vorgehabt heute! Das Telefon schrillte mit einer Impertinenz, die auf eine ganz bestimmte Person am anrufenden Ende der Leitung schließen ließ.
Mit einem Anflug von Gewissen räusperte ich mich, machte Sprechprobe »Eins, Zwei«, - ich hörte mich an, als hätte ich die letzten acht Stunden ohne Unterbrechung dreckige Lieder gegrölt, statt bleiern zu schlafen - und nahm trotzdem ab. Selbstverständlich war es Veronika.
Ja, ich war gestern nachmittag bei Roselius gewesen.
Nein, viel gesprochen hatten wir nicht.
Ja, ich war praktisch schon wieder auf dem Weg zu ihm.
Nein, ansonsten gab es noch nichts Neues.
Ja, ich hatte schon eine These und auch eine Strategie. Gestern den ganzen Abend über der Ausarbeitung gesessen.
Was? Och, ahm, leichte Erkältung. Bißchen rauhen Hals.
Wann? Heute abend? Bei ihr in der Kanzlei? Ja, gut.
Ja, Tschö mit ö.
Ich putzte mir mit aller Kraft die Zähne, gurgelte entschlossen mit Aspirin, trug das Mülheimer Bier seinen Spitznamen doch nun wirklich nicht zu Unrecht, und stellte mich unter eine hastige Dusche. So viel vor, so viel zu erledigen und schon so spät am Tag! Scheiße!
Wie ich so duschte und das Einsetzen der segensreichen Wirkung der sieben Brausetabletten erflehte, beschäftigte mich ein Gedanke, der aus dem Morast meiner Erinnerung an den gestrigen Abend aufgestiegen war wie ein Furz aus dem Badewasser: Hatte ich, oder hatte ich nicht? Rasch spülte ich mir den Schaum ab, stellte das Wasser ab, rubbelte mir den Balg ab und eilte, nachsehen. Ich hatte!
Ich hatte es doch tatsächlich gestern noch geschafft, Bernhard um einen Blauen anzupumpen.
Das kam einer nachträglichen Legalisierung meines Versackens
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