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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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sich alleine hatte. Ein Jahr, bis zum Auftauchen dieses blöden Boxers.
    Als könne sie meine Gedanken lesen, wurde Patsy mit einem Mal ernst und kam zu mir rüber. Scuzzi redete derweil einfach weiter, wie schön es sei, mich zu sehen und er hätte gestern erst gesagt, und ich käme gerade recht, lauter Zeugs dieser Art. Wir hörten gar nicht hin.
    »Sie hat mir geschrieben«, sagte sie und blies eine Blase.
    Ja, dachte ich, mir auch. Mußte irgendwo rumliegen, der Brief. Ich hatte fest vor, ihn eines Tages zu lesen. In fünfzig Jahren, ungefähr. Wenn wir über das alles hier nur noch lachen werden.
    Die Blase machte >popp< »Sie wirkt nicht besonders glücklich, wenn du mich fragst.«
    Mir doch wurscht, dachte ich bitter.
    »Ihr Boxer scheint, nach dem, was sie schreibt, ziemlich weich zu sein. Und ich spreche nicht über sein Herz«, meinte sie und griente wieder, vielsagend, »und auch nicht nur über seine Birne.«
    Wenn schon, dachte ich. Das ganze Thema war mir unbehaglich.
    Scuzzi verbreitete derweil, wenn mein halbes Ohr richtig hörte, gemeinsame Kindheitserinnerungen, angefangen mit der Zeit, als wir uns noch Förmchen und Eimerchen teilten, und von da an in lockerer Folge weiter, einen schwärmerischen Ausdruck im Gesicht.
    »Was ist mit ihm?« fragte ich. Seit ich reingekommen war, hatte er nicht einen Moment aufgehört zu quasseln.
    »Ecstasy«, sagte sie und warf ihm einen genervten Blick zu. »Er testet gerade eine neue Lieferung. Wenn es gut ist, wirkt es immer so auf ihn.«
    »Hier«, sagte er, hielt mir eine kleine, grüne Pille unter die Nase und legte mir den Arm um die Schultern, »nimm die. Die bringt dich garantiert wieder nach vorn, mein Freund.«
    Ich kann das nicht haben. Konnte ich noch nie, und schon gar nicht von einem, der das eigentlich seit Grundschultagen wissen müßte. Ungeduldig wand ich mich aus seiner Umarmung.
    »Eigentlich bin ich hergekommen, weil ich dich um etwas bitten wollte.«
    »Kein Problem. Ü-ber-haupt kein Problem. War es doch noch nie, oder? Sprich es nur aus, mein Freund, und ich werde sehen, was ich für dich tun kann.« Ich warf Patsy einen gequälten Blick zu. »Wir beide, du und ich, wir werden das Ding schon schaukeln, glaub mir. Mach dir keine Gedanken, zusammen waren wir schon immer unschlagbar, oder etwa nicht?« Und er strahlte mich an wie ein Sektenwerber.
    Ich sagte, zu ihr: »Kann er nicht wieder einfach nur koksen, kiffen und Schnaps saufen wie sonst? Da weiß man wenigstens, wo man dran ist mit ihm.«
    »Das ist ein ganz neuer Markt«, sprach Scuzzi mit ungetrübtem Eifer weiter, »mit einer ganz eigenen Scene. Fast schon wieder hippiemäßig, wie die drauf sind. Erinnert mich schwer an uns beide, früher.«
    Oh, diese hartnäckige Glorifizierung unserer gemeinsamen Vergangenheit und Freundschaft fing an, mir mächtig auf die Nüsse zu gehen. »Darf ich auch mal was sagen?« fragte ich.
    »Nein, echt jetzt. Laß mich ausreden. Wir beide sollten mal auf einen Rave gehen. Pfeifen uns ein paar von den Dingern hier ein und tanzen die ganze Nacht ab.« Und er ruderte ein bißchen mit den Armen und wackelte mit den Hüften.
    Da war ich drauf und dran, ihm die ganze Lieferung abzunehmen und sie im Klo runterzuspülen. Weder Scuzzi noch ich haben jemals getanzt.
    »Tolle Idee«, sagte ich ätzend. »Ich mein, ich seh uns schon: Mit Pudelmütze auf bei 35° Hitze, blauer Sonnenbrille, nachts, Ziegenbärtchen am Kinn und Klamotten zum Reinwachsen mischen wir uns unter die Kids. Und wenn wir nur oft genug >Check it out< und >Coole Mucke, Mann< sagen, fallen wir auch überhaupt nicht auf.« Ich sah ihn kalt an. »Jetzt komm mal langsam wieder runter.«
    »Gut, gut, gut, gut, gut.« Er hob eine abwehrende Hand, setzte sich, businesslike, hinter seinen Schreibtisch und blickte abwartend und vielleicht ein bißchen beleidigt zu mir hoch. Nur aus seinen Augen war dieses Ephedrin-Strahlen nicht herauszubringen.
    Ich setzte mich auf die Schreibtischkante und sagte ihm kurz und knapp, was ich von ihm wollte. Nicht ganz eine Minute später hatte er den Telefonhörer in der Hand und kaute irgendeinem bedauernswerten Menschen am anderen Ende ein Ohr ab.
    »Heckenpennes blickt mit Computern und so zentral durch« hatte Scuzzi über den Typen gesagt, vor dessen Adresse ich den Wagen stoppte. Es war mittlerweile Abend geworden, ohne daß sich das bis zu den Thermometern herumgesprochen zu haben schien. Heckenpennes wohnte angenehme fünfzig Meter von der Straße weg, am

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