Prickel
leiht uns seinen Mercedes?«
Ich selbst hatte an einen Wagen von Sixt oder Avis gedacht, angemietet mit falschen Papieren. Und einer falschen Kreditkarte. Hatte ich gedacht. Wo ich das alles noch heute herzaubern sollte, war etwas, das ich noch zu bedenken vorgehabt hatte. Gleich, irgendwann.
»Macht der gerne«, meinte Charly.
Ich glaubte ihm kein Wort. Ich sagte: »Das einzige, das dein Bruder dir leihen würde, wäre eine gezündete Handgranate.«
Er lachte und klappte den Kickstarter aus. »Heiko ist in Venezuela. Neues Material für seinen Puff einkaufen. Er wird nichts davon erfahren.«
Hoffentlich, dachte ich. Charly mag seine furchteinflößenden Eigenschaften haben, doch Heiko ist eine. Von Kopf bis Fuß. Der Mann verachtetet Waffen. Hält sie für Kinderkram. Deutet im Gespräch gerne an, was man alles mit einem Kugelschreiber, einem Mayonnaiseeimer, einem Meter Draht anstellen könne. Trägt stets einen Seidenschal um den Hals und eine Kristallkugel in der Tasche. Beides zusammen hat schon so manchen Zahnarzt, manchen Kieferorthopäden und manch einen restaurativen Chirurgen vor wirkliche Herausforderungen gestellt. Charly hat sie sicherlich nicht alle stramm, so wie alle Zimmermanns einen Hau haben, doch Heiko ist ein gottverdammter Psychopath.
Charly setzte mich zuhause ab. Ich wollte eben kurz duschen und mich umziehen. Als ich die Treppe hochkam, ging die Türe zur Nachbarwohnung auf und Bernhard sah heraus. »Hör mal, Kristof«, sagte er ernst, »hast du irgendwelchen Ärger mit jemand? Heute morgen haben zwei Typen versucht, bei dir einzubrechen.«
Die Polen, schoß es mir durch den Kopf und ich schluckte.
»Ich hatte die Haustür offen gelassen, für die Lieferanten, saß hier oben, über der Abrechnung, da höre ich so ein komisches Geräusch und als ich nachsehe, stehen da diese beiden Typen und versuchen, deine Türe mit einem Kuhfuß aufzubrechen.«
Wir blickten uns einen Moment lang an, dann drehte ich mich zu meiner Türe um. In Schloßhöhe war der Rahmen ziemlich zersplittert. Ich drückte die Klinke runter und die Tür schwang auf. Ich schließe nie ab. »Genies«, sagte ich.
»Sie sind dann abgehauen.«
»Fuhren sie einen alten VW-Bus?«
»Tut mir leid, aber ich kann's dir nicht sagen. Ich hatte nur Schlappen an den Füßen, und sie waren weg, bevor ich aus dem Haus war.«
Ich zuckte die Achseln, ging duschen und mich umziehen. Waren sie einmal gescheitert, standen die Chancen recht gut, daß sie sich bald wieder beruhigen würden.
Ächzend zog ich mich aus. Die Schwellung in meinem Nacken war etwas zurückgegangen, doch meine restlichen Gliedmaßen waren steif und bewegungsunwillig, und mein Brustkasten fühlte sich nach wie vor an wie eine angetitschte Eierschale. Vor dem Spiegel besah ich mir meine zahlreichen farbenprächtigen Hämatome und bedauerte es ein bißchen, niemanden zu haben, dem ich damit imponieren konnte.
In die Wohnung waren sie nicht reingekommen, aber an meinem Auto hatten sie sich ausgelassen, wie ich feststellen durfte. Wahrscheinlich in der Nacht schon. Ein hinteres Seitenfenster war eingeschlagen, das Handschuhfach hatten sie ausgeräumt und seinen Inhalt zusammen mit allem, aber auch allem, was auf dem Boden rumgelegen und in den seitlichen Staufächern gesteckt hatte, über das Wageninnere verteilt.
Ich habe mich mal mit einem VW-Käfer überschlagen, einmal ganz rum, so daß er wieder auf den Rädern zu stehen kam, und da drin hatte es anschließend ganz genau so ausgesehen. Als ob es Müll geschneit hätte. Unglaublich, was so alles in einem einzigen Auto herumliegt.
So, dachte ich und fegte den Fahrersitz und das Armaturenbrett frei, damit sind wir jetzt hoffentlich quitt. Was mich allerdings verwunderte, war, daß sie das Radio dringelassen hatten. Auch von den Cassetten schien keine zu fehlen. Ich steckte den Schlüssel ins Zündschloß, drehte, so halb und halb das Schweigen und die Finsternis durchtrennter Kabelstränge erwartend, doch die Karre sprang klaglos an wie immer. Also, wenn ich einen richtigen Hals auf jemanden hätte ... Ich trat das Pedal. Bremsdruck war auch da. Achselzuckend fuhr ich los.
Patsy war sofort dafür gewesen. Feuer und Flamme. Scuzzi sah für sich persönlich überhaupt keinen Nutzen, sondern nur und ausschließlich Nachteile. Seine Antwort war ein kategorisches Nein. Verständlich, sicher, doch leider konnte ich da keine Rücksicht drauf nehmen.
Um gegen überraschende Besuche gewappnet zu sein, lebt Scuzzi
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