Prickel
ich.
Nötigung im Amt. Das war es. Und nichts anderes. Nötigung im Amt, Vorteilnahme, letzten Endes ein erpresserischer Akt der Korruption. Strafvereitelung gegen Gewährung sexueller Gunst. Ein in hohem Maße verwerfliches und strafbares Vorgehen und in dieser Konstellation höchstwahrscheinlich ein juristisches Novum. Was jetzt nicht heißen soll, daß ich vorhatte, mich zu beschweren. Oh nein.
Feßle mich, Zora, dachte ich, (eigentlich ist es Birgit, hatte sie mich korrigiert, dann aber abgewunken), peitsch mich, strafe mich, töte mich - das macht mich heiß.
Um sieben bei ihr, hatte sie gesagt, was die verbleibende Stunde mit einer schädelsprengenden Hektik füllte. Ich mußte irgendwie Charly erreichen. Eigentlich war verabredet gewesen, die Anfahrt und den, tja, Fluchtweg im Laufe des Abends gemeinsam auszukundschaften. Das hätte uns auch Zeit gegeben, eine Vielzahl anderer Details durchzukauen. Aus all dem wurde nun nichts. Ich war das Opfer einer - um es vorsichtig auszudrücken - erotisch bestechlichen Polizeibeamtin geworden. Noch heute würde ich mit akrobatischen Liebesdiensten für den Erhalt meiner Fahrerlaubnis zahlen müssen. Mich klaglos und zur Gänze ihrem Willen, ihren perversen Phantasien und ihrer triebhaften Unersättlichkeit unterwerfen müssen. Nicht, allerdings, daß ich vorgehabt hätte, mich zu beschweren.
>Bringst du die Lederkombi mit?< hatte ich gefragt.
>Und die Handschellen? Und den Strafzettelblock?<
>Den was?< hatte sie zurückgefragt.
Die Sonne knallte voll auf das Schaufenster der Hooligan-Boutique. Ja, sowas gibt's. Falls sie jemand suchen sollte: Gleich hinterm Bahnhof links, sehr hübsch gelegen zwischen dem Sexshop und dem An- und Verkauf von Wertgegenständen aller Art. Drinnen waren vielleicht fünfzig Grad, der Inhaber und ich. Mit meiner Sonnenbrille auf. Um nicht erkannt zu werden. Triefend vor Schweiß sah ich mich hastig um. Schwarzweißgraue Camouflage-Hosen hatten sie gerade im Angebot, also her damit. So welche hatte ich immer schon haben wollen. XL, das sollte passen. Nein, danke, anprobieren wollte ich sie nicht. Dazu wählte ich ein Paar wirklich hübscher, extrabreiter Rot-Weiß-OberhausenHosenträger und ein schwarzes White-Zombie-T-Shirt mit Tourneedaten hinten und einer Handvoll Gestalten im fortgeschrittenen Zustand der Kompostierung vornedrauf. Geschmack, sage ich immer gern, ist nicht unbedingt eine Frage des Geldbeutels. Es muß gar kein Vermögen kosten, sich ein wenig nett und adrett einzukleiden.
Im Drogeriemarkt ließ ich die Sonnenbrille auf. Meine Frage nach Pudelmützen war im Hooligan-Shop auf verständnisloses, tropfenschleuderndes Kopfschütteln gestoßen, also mußte ich Strümpfe kaufen. Damenstrümpfe. Es gab ein ganzes Regal davon. Einen Augenblick lang stand ich unschlüssig davor, dann griff ich mir einfach zwei Packungen, die ich so gerade noch bezahlen konnte. Eine von oben und eine von unten, für den Fall, daß sie nach Größen sortiert waren. Die Frau an der Kasse sah noch nicht mal auf.
Bei Bernhard ging nur der Anrufbeantworter dran. Bei Charly ließ ich zehnmal klingeln. Keine Antwort.
Ich duschte noch mal. Schrubbte mir das Gebiß. Sprühte mir was unter die Achseln, zwischen die Beine, in den Hals. Zog mein letztes Paar frischer Socken an, mein allerletztes frisches T-Shirt und meine allerallerletzte frische Unterhose. Hinten rechts hatte sie ein fünfmarkstückgroßes Loch, gut, aber dafür war sie fleckenlos. Man kann nicht immer alles haben.
Fertig angezogen versuchte ich es noch mal bei Charly, doch nein. Ich stopfte meine Einkäufe in eine alte Reisetasche, packte noch einen verschossenen Overall, ein Paar ausgelatschte Basketballtreter und, nach längerem Gekrame, meine seit Jahren nicht mehr benutzten Motorradhandschuhe dazu. Hatte ich alles? Fast. Aus dem Lager der >Endstation< lieh ich mir im Rausgehen zwei Flaschen Chianti und schwang mich in die Carina. Startete. Jagte die Bruchstraße hinunter und bog unten rechts ab. Richtung Oberhausen. Richtung Scuzzi. Für das, was vor mir lag, brauchte ich Drogen. Starke Drogen.
Es gab Kaninchen in Senfsoße mit grünen Bandnudeln an schwarzem Spitzenbody in Schlabberjeans über nackten Füßen. Schwüle Abendluft wehte durch die Vorhänge, REM jammerten einfühlsam vor sich hin und Kryszinski goß die Gläser voll.
Ich hatte Charly schließlich doch noch erreicht und ihm kurz meine Zwangslage geschildert und mir daraufhin ein paar wirklich häßliche Bemerkungen
Weitere Kostenlose Bücher