Priester des Blutes
Python hatte Recht, als sie ihn dort zurückließ. Er bringt Unglück über uns.«
Andere murmelten über mir. Ich beobachtete ihre Gesichter und sah Zorn und Verwirrung.
Diejenige, die ihre Knie gegen meine Schultern presste, um
mich auf den Boden zu drücken, stieß einen gellenden Schrei aus, der die anderen zum Schweigen brachte. Dann näherte sie sich meinem Gesicht mit dem ihren und fragte: »Wie wirst du genannt?«
»Aleric«, antwortete ich. »Der Falkner.«
Ein geheimnisvolles Lächeln kräuselte ihre Lippen, und sie zeigte ihre Zähne. »Nun, Falke, dann sage mir, was die Python dir gezeigt hat.«
»Sie trank von mir, bis ich beinahe all mein Blut verloren hatte, kaum noch atmen konnte und keine Sehkraft mehr besaß. Und dann presste sie ihren Mund auf den meinen und atmete sowohl Tod als auch Leben in mich aus. Und als sie mir diesen warmen Strom in die Kehle blies, hatte ich eine Vision von einer großen Stadt aus uralter Zeit. Ich sah eine Frau von reifer Schönheit, die eine furchtbare Maske aus Gold trug, und neben ihr stand ein heiliger Mann mit den Flügeln eines Drachen, der in seiner Hand einen Stab hielt, auf dem sich ineinander verschlungene Schlangen zu befinden schienen. Und hinter diesen beiden stand ein Altar aus Lapislazuli. Auf diesem lag Pythia selbst, wie eine Gefangene, die auf ihre Opferung wartet.«
»Alkemara«, keuchte die Frau mit dem Turban und warf den anderen einen kurzen Blick zu.
Ich nickte. »Die Stadt der Alkemarerinnen, das sagte er zu mir. Der Priester. Und dort gab es schreckliche Schatten, die mir etwas zuflüsterten. Ich sah sie gerade eben, als ich meinem Freund Atem spendete.«
Einer der anderen, die in unserer Nähe standen, rief: »Die Myrrydanai. Sie kommen.«
»Nein«, entgegnete der Tätowierte. »Wir würden sie im Strom spüren.«
»Da gibt es noch andere fremdartige Worte, die ich nicht verstehe«, sagte ich. »Nahhashim. Maz-Sherah. Ich kenne die Bedeutung
der Vision nicht, aber Pythia zog sich ganz plötzlich zurück. Ich hatte das Gefühl, sie wusste nicht, dass ich jenen Ort und jene Leute ebenso sehen konnte wie sie. Sie kreischte auf, als ich all dies gesehen hatte, und ich beobachtete, wie ihr große Flügel aus den Schultern wuchsen. Sie flog auf in die Nacht und schrie, als hätte ich diese Dinge eigentlich nicht sehen sollen.«
»Sie gab dir ewiges Leben«, antwortete die Frau mit dem Turban. »Die Python erschuf uns alle, um dabei zuzusehen, wie wir ausgelöscht werden.«
»Aber was ist mit der Vision? Was ist mit der großen Stadt?«
»Sie existiert nicht mehr«, erwiderte der tätowierte Vampyr. »Es handelt sich dabei um eine Erinnerung an die alte Welt, einen Augenblick aus anderen Zeitaltern. Wir haben schon davon gehört. Doch niemand … noch niemand hat eine Vision davon erlebt. Oder von den anderen Dingen.«
»Er lügt«, sagte die andere Frau über mir. »Sie sandte ihn aus, um uns zu vernichten. Sie ließ ihn dort zurück. Sie wusste, wir würden seinen Strom spüren und ihn finden. Für uns ist er eine Falle.«
»Aber der Heilige Kuss«, wandte die Frau mit dem Turban ein. »Niemand von uns besitzt diese Fähigkeit.«
»Wir alle haben es versucht«, meinte ein anderer Vampyr, ein gut aussehender Mann, der da stand und Ewens Schwert hielt. »Wir haben uns da nach gesehnt, unsere Liebsten zu uns zu holen. Stattdessen schicken wir sie über die Schwelle.«
»Er ist der Eine«, sagte die Frau mit dem Turban, während sie die anderen ansah.
Noch jemand entgegnete: »Wie kann das sein?«
»Ver dammt! Es gibt keinen ›Einen‹«, knurrte der tätowierte Vampyr. »Es ist nichts als eine Lüge.«
»All dies sind Lügen«, rief die stehende Frau. »Es gibt keinen Maz-Sherah. Alkemara ist eine erfundene Geschichte. Es ist mit ihr
wie mit den Göttern - sie existieren nicht, sondern wir erschaffen sie uns selbst, um die Auslöschung nicht zu fürchten.«
»Ihr habt die Stimme der dunklen Mutter gehört«, sagte die Frau auf mir. »Diejenige, die uns zu zerstören versucht, seit sie uns das Leben gab.«
Andere murmelten Zustimmung zu ihren Worten. Der Tätowierte fauchte: »Es ist unsere Verdammnis, die zu uns spricht.«
»Sie hat eine Donnerstimme, und wir spüren ihren Blitz im Strom selbst«, sagte ein anderer.
»Sie schickt uns in die Auslöschung«, sagte die Frau. »Ich sage euch, er ist der Eine. Es ist so, wie Balaam zu uns sagte.« Sie befahl einem der Vampyre, noch mehr zum Trinken zu suchen, da ich so schwach war.
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