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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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waren.
    »Er erzählte mir vom Maz-Sherah«, flüsterte Kiya. »Erst vor Kurzem, als ich zu einem Geschöpf der Nacht geworden war. Er erzählte mir von Vampyren, die Tausende von Jahren leben. Tausende und Abertausende. Er kannte die Legenden von anderen, die vor meiner Auferstehung zu Staub zerfallen waren. Damals glaubte ich ihm nicht, außerdem war es mir gleichgültig. Doch ich existiere schon zahlreiche Jahre über meine Zeit hinaus. Ich habe schon andere gesehen, welche wie Balaam. Ich habe zugesehen, wie ihre Jugend und Schönheit vergangen sind und sie in diesen leichenähnlichen Zustand eines Toten im Leben überwechselten. Und dann habe ich zugesehen, wie ihre Knochen zerfielen. Wie ihre Augen zu Rosinen verschrumpelten. Wie ihre Hälse knorrig und verdreht wurden, so dass sie nicht mehr trinken konnten, selbst wenn ihnen Blut in die Kehle gegossen wurde.«
    »Wir sind Monster«, sagte ich. »Wir leben als Dämonen und verdienen die Hölle.« Mir fiel der geflügelte Dämon wieder ein, der aus dem Brunnen im Großen Wald heraufgeholt worden war. Ein Vampyr, weit entfernt von seinem Stamm, in seiner Auslöschung, auf dem Boden eines düsteren Brunnens. Ich erinnerte mich daran, dass man dem Mann den Kopf abgeschlagen und die Kreatur verbrannt hatte. Ich dachte an die dunkle Asche, die in den Himmel aufgestiegen war, als ich noch ein Knabe gewesen war und nichts von dieser anderen Existenz gewusst hatte. Ich fragte mich, ob sogar diese Kreatur in den Tausenden von Aschestäubchen weiterexistiert
hatte, die an diesem Tag durch das Feuer in alle Winde verteilt wurden. »Wir sind Monster«, wiederholte ich.
    »Das würdest du nicht sagen, wenn du so lange gelebt hättest wie ich«, entgegnete sie, indem sie den Griff um meine Hand verstärkte. Als sie dies tat, spürte ich, wie der alte Vampyr innerhalb eines einzigen Augenblicks immer schwächer wurde, noch während ich vor ihm kniete. »Fühlst du es nicht?« Tränen liefen ihr über das Gesicht.
    Gefühle durchströmten mich, als ich seine Einsamkeit spürte. Es fühlte sich an wie bei einem Sperling, der in einem Dornbusch gefangen war - die Flügel schlagen gegen den Schmerz, und die Gedanken überschlagen sich in seinem Kopf vor Furcht und ob der Unmöglichkeit zu entkommen - bis ich davon überwältigt wurde und spürte, wie sich mein Herz öffnete. Es öffnete sich auf eine Weise, wie es dies niemals getan hatte, als ich noch ein sterblicher Mensch gewesen war.
    Abermals betrachtete ich uns drei wie ein einziges Wesen, das nur durch das Fleisch getrennt war. Ich spürte eine Verbindung und eine Verständigung, und den noch Furcht und Qual. Etwas in mir wuchs - ein Samenkorn war gesät worden, nur durch die einfache Handlung, Kiyas Hand zu halten und das zu fühlen, was sie durch den Vampyr spürte, während er langsam erlosch.
    Der Schrecken schien unwichtig zu sein.
    Was ich fühlte, war Zusammengehörigkeit. Vollkommene Zusammengehörigkeit. Ein Band, eine Verbindung - und ich konnte das Gerippe des Vampyrs ansehen und meine andere Hälfte erblicken, ebenso sicher, wie ich dies bei Kiyatat. Und nicht nur die Hälfte - ich konnte mein gesamtes Sein in ihnen sehen. Der Strom hatte mir ihren Schmerz, ihre Ängste, Liebe, Verluste, ihre Monstrosität und Menschlichkeit gebracht.
    Ich war zu einem Vampyr geworden, und zwar mehr, als ich jemals ein Mensch gewesen war.

    Zwar spürte ich eine Last, aber diese schulterte ich bereitwillig.
    Die Vorsehung hatte mich dort hin gebracht. Ins Reich der Verdammten.
    An den Hof des Teufels höchstpersönlich.
    Und dennoch wusste ich, dass es selbst dort, unter den Kreaturen der Finsternis und des Blutes, Licht gab. Ich verstand dieses Licht damals nicht, und ich glaubte auch nicht, dass es von einer heiligen oder unheiligen Flamme stammte. Alles, was ich wusste, war, dass es existierte, und es flackerte im Strom selbst. Der Strom über flutete uns, er brachte unserem Stamm einen mystischen Sinn von Ziel und Gemeinschaft. Ich war machtlos gegen seinen Sog, der mich öffnete, mein Bewusstsein öffnete, die tieferen Höhlen meines Seins öffnete. Dadurch begann ich mich zu fühlen, als besäße ich den Blick eines Gottes, ver flucht dazu, jedes Leid zu empfinden, jeden Schmerz zu verstehen und zu ihm gerufen zu werden, zu ihm hingezogen zu werden, ein Mysterium der Existenz selbst.
    Meine Augen schlossen sich, ich befand mich im Strom und hatte wieder eine Vision.
    Einen kurzen Augenblick sah ich vor meinem geistigen

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