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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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dies konnte ich nicht zu lassen. Ich weinte, als ich von ihm trank, hin- und hergerissen. Einerseits wünschte ich mir Frieden für meinen Freund - wünschte mir, ihn aus dem Elend der Todesqualen zu befreien und ihm die Tür zu dem zu öffnen, was danach folgte - aber andererseits wünschte ich mir auch, Nahrung zu mir zu nehmen. Ist es nicht so, dass der Schäfer den Schafen aus seiner Herde Namen gibt und dennoch das schönste Frühlingslamm auswählt, um es zu schlachten? Wenn er sich dann nie dersetzt, um seine Mahlzeit zu sich zu nehmen, erinnert er sich etwa nicht an das Lamm und die Frische seiner Jugend, selbst dann, wenn er seinen Tod kostet? Ebenso kostete ich von Ewen. Sein kräftiges Aroma schmeckte nach dem exotischen Kaffee des Ostens, nach den Weinen meines Heimatlandes, nach der Süße von Anis und nach dem Fleisch, das er an jenem Tage zu sich genommen hatte. Das Eisen in seinem Blut gab auf meiner Zunge einen leicht metallischen Geschmack, wie die Schneide einer stumpfen Klinge.
    In jener Nacht lernte ich die Erinnerung kennen, die mit dem Blut kommt. Nicht die Erinnerung derjenigen, die wir austrinken, sondern die an unsere eigene Sterblichkeit, ihre Reichtümer und auch ihre Armut. Die Erinnerung an die Unschuld der Kindheit,
die Berührung einer Mutter, die Liebe des Fleisches und den Hass auf sich selbst. All das kehrt mit dem Bluttrunk zurück, der genommen wird, um einen Durst zu stillen, der unstillbar ist.
    Das Blut ist Leben. Das Blut ist Gesundheit. Es ist der Trunk der Götter, und niemand, der davon getrunken hat, um sich davon zu nähren, hasst diejenigen, aus denen er trinkt, die menschlichen Gefäße.
    Das Gefühl, das ich damals empfand, war Liebe, und sogar Mitgefühl.
    Ich tat diesem Mann keine Gewalt an - ich ver zauberte ihn, verführte ihn.
    Ich drückte meine Lippen gegen das an zahlreichen Stellen verletzte Fleisch und saugte hart an diesen zerfetzten Hautlappen. Er wurde zum Gefäß meines Lebens. Dies war eine Form der Liebe, die die Menschen niemals verstehen können, weil sie Leben und Tod als Gegensätze betrachten, während Leben doch Tod ist, Tod Leben, Liebe Tod, Tod Liebe, Unsterblichkeit die Hölle und der Himmel der Tod. All diese Gedanken überkamen mich. Ich spürte seine Liebe zu mir in seinem Blute, wie es mir niemals zuvor ein Mensch geschenkt hatte. Als ich mich zu rückzog, waren mein Kinn, mein Hals und meine Brust blutverschmiert, und ich bemerkte Erstaunen auf den Gesichtern um mich herum. Die anderen Vampyre standen da, als sähen sie zu, und ich fragte mich, ob dies an meiner Gier lag.
    Doch als ich Ewen wieder ins Gesicht blickte, erkannte ich den Grund: Ich hatte sein Herz noch nicht angehalten. In ihm war noch immer eine Spur von Leben, und in diesem letzten Augenblick seiner Existenz erkannte ich eine tiefe Schönheit. Er war schöner als irgendeine Jungfrau - er wirkte sogar schöner auf mich als Alienora. Später würde ich erfahren, dass die Schönheit, die in ihm lag, die der Schwelle war. Bei der Schwelle handelte es sich um den Durchgang zwischen dem Lebenden und dem Toten. War
man einmal hindurchgegangen, so gab es keinen Weg zu rück. Ich blickte ihn an, und ein anderes Gefühl überkam mich - ich wollte ihn bei mir haben. Ewen war ohne Zweifel da gewesen und hatte an dieser Stelle sein Lager aufgeschlagen, da er meiner Spur gefolgt war und die Absicht gehabt hatte, mich zu finden. Er war meine Verbindung zum sterblichen Leben, und ich konnte ihn nicht gehen lassen. Ich konnte ihn nicht sterben lassen, so wie der kleine Thibaud gestorben war, durch diese Kreaturen.
    Ich konnte es einfach nicht.
    Ob man es nun Selbstsucht nennen mag, Furcht oder Einsamkeit, jedenfalls wollte ich ihn wieder für mich haben, als meinen Freund.
    Instinktiv stieg ein Gefühl in mir auf. Ich erinnerte mich an Pythia, wie sie ihre Lippen auf die meinen gepresst hatte.
    Ich würde ihn in meine Welt holen und zu einem Mitglied unseres Stammes machen.
     
    Ich zog seinen Kopf näher an mich heran und teilte seine Lippen mit meinen Fingern. Seine Lider zitterten, dann öffnete er die Augen. Er blickte mich an wie jemand, der berauscht ist.
    Da spürte ich, dass er mich er kannte, und ich fühlte seine Zustimmung.
    Ohne Zögern presste ich meine Lippen gegen dieseinen und verschloss sie fest mit meinem Mund, wie es, so erinnerte ich mich, auch Pythia bei mir getan hatte.
    Wie ein Viadukt, das Wasser durch einen neuen Kanal leitet, atmete ich in seinen leicht zitternden

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