Priester des Blutes
Gesättigt ließ ich die Kehle los und spürte, wie meine Kraft zurückkehrte. Der Sog der Erde hatte mir etwas genommen.
Was auch immer Alkemara war und wo auch immer es lag, es handelte sich dabei jedenfalls um ein Vakuum, das uns unsere Stärke und die Energie, über die wir ver fügten, rauben würde. Wir hatten bereits begonnen, dies zu erkennen. Es erfüllte mich mit unbeschreib lichem Grau en, denn wir würden Kraft benötigen, um den schlafenden Priester zu wecken, wenn wir ihn fanden.
»Trinkt euch jetzt satt«, sagte ich zu den anderen, die dabeistanden und zusahen. »Trinkt sie leer. Ihr werdet die Kraft brauchen.«
»Sollten wir sie nicht mit nehmen?«, fragte Vali. »Was geschieht, wenn wir dort eingeschlossen werden? Sollten wir sie dann nicht bei uns haben?«
»Was auch immer das gefallene Reich durchstreift, es wird keine Sterblichen hindurchlassen«, entgegnete ich. »Trinkt nun, und lasst uns hoffen, dass es für unsere Reise reicht.«
Die anderen versammelten sich um die beiden Sterblichen, indem sich jeder einen Platz nahe der Blutquelle suchte, ob es nun
Hals, Schulter, Handgelenk oder Schenkel war. Nachdem das Bluttrinken beendet war, versuchten wir aus findig zu machen, wo sich die größte Schlange befand. Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, dass wir von jemandem beobachtet würden. Dieser jemand folgte uns zwar, behinderte den Strom aber nicht aus reichend, um irgendeinem von uns die Gelegenheit zu geben, dieses Wesen, das uns ver folgte, zur Gänze zu spüren. Ich sah es in Kiyas Gesicht. Sie blickte nach oben, an der Klippe entlang, als erwartete sie, dass dort etwas zu sehen wäre. Ewen griff nach mir, als ich die steile Wand empor kletterte und mich fühlte, als besäße ich die Kräfte einer Spinne. Er berührte mein Fußgelenk. Ich drehte mich zu ihm um, und da sagte er: »Ich spüre etwas. Etwas ist nah.«
Ich nickte, hatte aber keine Ahnung, welche Bedrohung in der Nähe lauerte. Indem ich die My riaden von Schlangen löchern nutzte, um mich fest zu halten, und auch die Energie durch das soeben getrunkene Blut, um mich schnell auf wärtszubewegen, kletterte ich die Klippe hinauf. Als ich fünfzehn Klafter zurückgelegt hatte, öffnete sich ein tiefer Spalt mit einer Felsplatte. Ich untersuchte dies näher und er kannte, dass es sich dabei in Wirklichkeit um einen Eingang handelte. Er schien uralt, seltsame Bilder waren entlang den Rändern eingemeißelt, Gestalten von Frau en mit Flügeln sowie Löwen mit Kinderkörpern und den Schwänzen von Krokodilen. Über dem Eingang waren Worte in den Felsen gehauen, in Einer Sprache, die schon lange tot sein musste. Waren dies Worte der Warnung? Oder ein Willkommensgruß? Ich wusste es nicht.
Den anderen rief ich zu, sie sollten mir folgen. Sie bewegten sich nicht so rasch wie ich, und Vali stürzte zweimal ab. Seine Qualen beim zweiten Sturz waren in dem Strom zwischen uns zu spüren, und mein Kopf schmerzte mit seiner Pein. Kiya hielt sich krampfhaft den Schädel und schloss die Augen. Dies war erst das zweite Mal, dass ich die schlechten Auswirkungen des
Stromes erlebte: Wir waren in diesem Leben nach dem Tod miteinander verbunden, unser Stamm befand sich gemeinsam in einem Strom, und wir hielten uns aneinander fest wie Hände, die sich umklammern.
Yarilo kletterte die Felswand so flink wie eine Krabbe hinunter, nahm Valis Arm und zog ihn in die Höhe, damit er nicht noch einmal stürzte.
»Ich fühle es«, sagte Kiya geheimnisvoll.
Ich blickte zu ihr hinüber, als sie gerade die Schwelle des Felseneingangs erklomm.
Anspannung zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Etwas«, sagte sie, »etwas ist auf dem Weg hierher.«
Plötzlich wusste ich, was sie meinte.
Das, was uns aus einiger Entfernung beobachtet hatte, kletterte entlang der Felswand über mir herab und ergoss sich mit merkwürdigen Klick- und Zischgeräuschen aus den Öffnungen. Ich blickte die Klippe hinauf und sah als Erstes eine verschwommene Bewegung von knochenbleichen Schemen, die sich in Einer Welle nach unten bewegten, auf uns zu. Es wurde deutlicher, als es näher kam.
Skorpione.
Sie waren so groß wie meine Hand, rein weiß und doppelt mit Stacheln ausgestattet, die über ihren Rücken schwebten. Tausende von ihnen kamen auf uns zu. Ich warf einen Blick hinunter zu Ewen, der sich an der Felswand entlang nach oben kämpfte und kaum schnell genug bewegte, um es bis zum Eingang zu schaffen. Er würde unter ihnen begraben werden. Die Skorpione bedeckten bereits
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