Priester des Blutes
an uns gebunden zwischen uns liegen, so dass zumindest einer von uns erwachen und sie aufhalten könnte, wenn sie einen Fluchtversuch wagen sollten. Wir teilten uns ihr Blut ein und tranken in je der Nacht so wenig wie möglich
davon. Darüber hinaus mussten wir Nahrung für sie suchen, so dass sie sich jeden Tag wieder erholten und so mehr Blut für uns hervorbrachten.
Dadurch kam mir der Gedanke, wie mein Stamm leben sollte. Wir mussten nicht jeden töten, von dem wir tranken - wir könnten sie als Gefäße behalten und so über genug Blut verfügen, um jede Nacht von ihnen trinken zu können.
Kiya lachte über mich, als ich dies vorschlug - sie hatte gerade an einer offenen Wunde am Unterarm eines der Männer geleckt. Ihr Mund war mit seinem Lebenssaft befleckt, und sie sagte zu mir, dass der Nervenkitzel der Jagd verschwinden würde, wenn wir dies täten.
»Es wäre unsportlich«, fand sie, »und eines der Dinge, die ich am Trinken besonders genieße, ist die Jagd.«
»Du bist wie eine Katze«, sagte ich zu ihr. »Du spielst mit der Maus, bevor du ihr das Leben nimmst.«
»Es ist ein Spiel, an dem beide - Katze und Maus - Anteil haben, nicht bloß die eine oder die andere. Opfer und Sieger sind zwei Seiten eines einzigen Spieles. Wo bliebe sonst auch das Vergnügen?«, fragte sie und hob dann den Unterarm an meine Lippen, so dass ich einen Schluck nehmen konnte.
Vor dem Morgengrauen hatten wir einen Augenblick für uns allein, bevor uns die Dunkelheit in unserer Höhle den Schlaf bringen würde. Da flüsterte mir Kiya zu: »Er ist dir treu ergeben.«
Ich warf einen kurzen Blick auf Ewen, der bereits in der Nähe einiger Felsbrocken schlafend lag, während ich mir mein eigenes Bett in der Erde bereitete. »Wir haben ein gemeinsames Heimatland und waren zusammen im Krieg.«
»Es ist gut, Erinnerungen zu haben«, sagte sie.
Ewen roch nach frischem Blut und Mohn. Ich bettete seinen Kopf unter meinen Arm. Kiya schmiegte sich an meinen Rücken,
ihr Gesicht gegen meinen Nacken gedrückt. Sie befand sich nun in meinem Strom, und ich roch ihren Duft, der mit meinem eigenen und dem von Ewen vermischt war. Wir waren wie ein Wolfsrudel, nehme ich an, das von dem Gedanken zusammengehalten wurde, dass jeder und jede von uns den Strom der anderen spüren musste, damit wir uns in unserem Stamm sicher und geborgen fühlen konnten.
Ich schloss die Augen, und sogleich tauchten Visionen von Alienora auf, schnell und unaufhörlich. Es war, als beobachtete ich sie vom Grunde eines dunklen Wasserbeckens aus. Sie stand da und blickte zu ihrem eigenen Spiegelbild hinab, sah mich aber nicht. Zu Beginn dieses Traumes rief ich ihr zu, sie sollte das Wasser mit der Hand berühren, so dass ich hinaufgreifen und sie packen könnte, um sie zu mir in die Dunkelheit hinabzuziehen.
Der Schlaf stellte sich ein, als durch den dämmerigen Eingang zu der Höhle, in der wir für diesen Tag Unterschlupf gefunden hatten, das Licht eindrang.
Mitten in der Nacht erwachte ich schreiend.
Kiya kniete neben mir und presste ihre Hände gegen meine Stirn, wie um meine Gedanken zu lesen. Die anderen Vampyre scharten sich um mich.
»Ich sah …«, begann ich und versuchte dann den Schrecken meines Traums in Worte zu fassen. Da waren Schatten über Schatten gewesen, die sich in meine Richtung schlängelten, und mitten unter ihnen befand sich eine Schwärze, die über die bloße Abwesenheit von Licht weit hinausging - die Gestalt einer Kreatur, die wütend knurrte, in der Dunkelheit aber wie ein Leuchtfeuer aus der Hölle leuchtete.
»Medyha«, sagte Kiya. »Du hast sie gesehen.«
»Die dunkle Mutter«, flüsterte Yarilo.
»Sie spricht in deinen Träumen zu dir«, stellte Kiya fest.
Ich spürte, dass mich ein nie gekanntes Gefühl des Wahnsinns überkam. »Wir dürfen diese Reise nicht fortsetzen«, keuchte ich. »Was ich sah, was ich weiß …«
»Ein Traum«, sagte Kiya.
»Eine Warnung«, brummte Vali.
»Es fühlte sich nicht wie ein Traum an«, sagte ich mit einem Kopfschütteln. »Es fühlte sich an, als hielte sie mich fest, und diese Schatten waren wie Wasserlachen um meine Knöchel, wie Fesseln. Das brachte mich dazu, dass ich sie ansah.«
»Sie ist die Dunkelheit selbst«, wisperte Kiya.
»Ihre Augen brannten wie glühende Kohlen in der Dunkelheit«, sagte ich. »Ihr Haar bewegte sich, als wänden sich tausend Schlangen auf ihrem Kopf. Und den noch hatte sie keine Gestalt, die über Schatten hinausginge.«
»Sie lebt in
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