Priester des Blutes
untersuchten wir seinen Rand, und bald da rauf fand Vali ein Boot, das in einiger Entfernung befestigt war, als sollten wir es dort finden.
»Siehst du?«, sagte ich zu Kiya. »Wir brauchen nicht zu schwimmen.«
Es war kaum mehr als ein großes, aus Holz gefertigtes Floß, aber
es bot vieren von uns genügend Platz. Vali und Yset blieben zurück. Wir konnten nicht riskieren, dass sie sich in das Wasser begaben, da es ihnen sämtliche Energie rauben würde, die sie noch besaßen. Yset berührte den Rand meines Stromes mit der Hand und teilte mir ohne Worte mit, dass sie und Vali den Ausgang zu dieser Welt inmitten des Berges bewachen würden.
Wir gingen an Bord des hölzernen Schiffes und stießen vom Ufer ab. Yarilo und Ewenhand habten Ruder und Ruderstange, indem sie uns damit von den Felswänden abstießen oder sie in die saugende Erde am Grunde des Wassers stießen, um uns anzutreiben. Aus dem Wasser stiegen der Gestank nach Schwefel und ein seltsam modriger Geruch auf. Und von den Höhlen, durch die wir navigierten, kam eine eisige Kälte, die immer stärker wurde, je weiter wir uns vom Ufer entfernten. Als wir gerade unter einer Decke hindurchfuhren, die mit glasartigen Steinen gespickt war, erweckte Ewen mit einem leichten Winken seiner Hand meine Aufmerksamkeit. Ich trat zu ihm hinüber, in den hinteren Teil des Bootes, und blickte über die Oberfläche des weißen Wassers.
»Dort ist etwas.«
»Ich kann es nicht fühlen«, entgegnete ich.
»Das Wasser unterbricht den Strom«, er klärte Yarilo. Dann deutete er, leicht erschrocken, zu Einer Stelle neben der anderen Seite des Bootes. »Dort drüben.«
Wir beobachteten die Wasseroberfläche, als sie kleine Wellen schlug und sich dann wieder beruhigte.
Kiya ließ sich auf ihre Hände und Knie nieder und blickte ins Wasser. »Ich sehe … jemanden.«
»jemanden?«
»Es ist eine der Alkemarerinnen«, antwortete sie und behielt das milchige Wasser genau im Auge.
DIE ALKEMARERINNEN
Innnerhalb von wenigen Mi nuten sahen sie alle von uns - zumindest sahen wir vier Wesen, die wie auf dem Rücken liegend unter der Wasseroberfläche schwebten. Ich hatte bereits Geschichten über Meerjungfrauen gehört, aber niemals erwartet, dass sie solche monströse Gestalt besäßen. Die Gesichter dieser Nymphen waren schön und reizend und ihre Schultern und Brüste so frisch und reif wie die junger Mädchen. Allerdings wich ihr blasses Fleisch nach unten hin zu nehmend Schuppen und Flossen sowie Bartfäden - wie bei Welsen -, während kleine Seepocken an ihren Flanken und ihren flachen Bäuchen hafteten. Das, was eigentlich ihre Schenkel gewesen wären, verschmolz zu einem langen Schwanz, der dem eines Krokodils ähnelte.
»Sie beobachten uns«, bemerkte Kiya.
»Sie sind wunderschön«, fügte Ewen hinzu.
»Sie sind wie wir«, sagte ich. »Seht ihr? Sie haben ganz ähnliche Zähne wie wir.« Und in der Tat waren beim Lächeln ihre scharfen Zähne zu erkennen, deren Spitzen wie die Zähne eines Haies wirkten. »Vielleicht sind sie unsere Vorfahrinnen.«
»Sie scheinen stumm zu sein«, sagte Yarilo. »Fische. Monströse Fische. Ich frage mich, ob ihr Blut nach dem Meer schmeckt.«
»Fische?«, fragte Kiya. »Oder Schlangen? Seht euch ihre Schwänze an. Sie sehen aus wie Aale. Oder Krokodile. Dies sind die Schwestern, die den Eingang bewachen. Sie dürfen nicht gestört werden.«
Doch Yarilo konnte nicht widerstehen. Er griff ins Wasser, um die Brust einer von ihnen zu berühren. Yarilo genoss seine räuberischen Berührungen. Ich hatte gesehen, wie er dies auf der Jagd bei einer jungen Frau getan hatte. Er hatte sie mit seiner Berührung ver führen wollen. Und tatsächlich hatte er auch viel Blut
von Frauen getrunken, die von seinem markanten Gesicht und seinen Augen entzückt waren, die im dunkeln katzenartig aufleuchteten.
Die Alkemarerin, die er lieb koste, lächelte mit den Zähnen eines Haies. Sie stieg weiter empor, seiner Berührung entgegen, und hob ihr Gesicht aus dem Wasser. Ihre Augen waren milchweiß und hatten eine gelbe Mitte, die beinahe wie ein Eidotter aussah. Ihre Haut wirkte dunkler als im Wasser und war teilweise lichtdurchlässig. So konnten wir sehen, wie unter ihrer Haut das Blut pulsierte und Nervenimpulse sichtbar auf und ab liefen, unmittelbar unter dem durchscheinenden Fleisch.
Sie sprach mit Einer Stimme, die nasal und beinahe wie ein Kreischen klang. Wir hatten eine solche Sprache noch nie gehört, und zuerst konnten unsere Sinne sie
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