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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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halten. Wenn sie dann, Tage später, schlüpften, fütterten wir sie mit Würmern, die in kleine Stücke geschnitten und auf einen dünnen, hart gewordenen Grashalm aufgespießt waren. Wir schoben sie den Jungvögeln in den Hals. Mein Großvater brachte mir auf diese Weise bei, Vögel aller Art abzurichten, und sie folgten uns, wenn wir unser Tagewerk verrichteten, ob es sich bei ihnen nun um Gänse oder Tauben, Raben oder Falken handelte. Die beiden Letzteren aufzuziehen war uns durch einen Befehl des Barons verboten, denn es blieb ihm und seinem Jäger vorbehalten, über sämtliche Falken und Hühnerhabichte zu verfügen. Da mein Großvater dem Hof des Barons allerdings gut abgerichtete Falken lieferte, wurde er niemals daran gehindert, die Vögel zu fangen und selbst aufzuziehen.
    »Zur Zeit meines Großvaters war alles anders«, erzählte er mir,
während wir einen jungen Falken Jagdmanöver lehrten, indem ich mich hinkauerte, um ein Kaninchen nachzuahmen (und dabei manchmal von den äußerst scharfen Krallen eines jungen Vogels verletzt wurde!). »Die Leute kamen zu ihm, um die Geheimnisse der Erde und des Himmels zu erfahren. Du hast sein Gesicht, weißt du. Das hast du tatsächlich. Du besitzt seine blasse Haut, das gleiche rosige Leuchten auf den Wangen - und sein Lächeln. Er konnte in den Blättern lesen, wann die Stärke des Waldes endete. An dem Flug der Sperlinge konnte er erkennen, wo am Himmel der Sturm beginnen und wie schnell er uns erreichen würde. Er war ein bemerkenswerter Mann.«
    »Und mein Vater?«, fragte ich.
    Sein Blick verdüsterte sich. »Der Fischer?«
    »Mein wirklicher Vater«, entgegnete ich. »Derjenige, der für immer fortgegangen ist.«
    »Er war ein Gelehrter«, er zählte mir mein Großvater. »Er stammte aus fernen Ländern, und zu diesen ist er auch zurückgekehrt.« Der düstere Ausdruck hatte seine Miene nicht ver lassen. Als ich weiter die Rede auf meinen leiblichen Vater zu bringen versuchte, lenkte er das Gespräch wieder auf seinen Großvater, oder auf meine Mutter als Mädchen, das aussah »wie der Frühling selbst, geschmückt mit Kränzen aus Wildblumen, und wie eine Nymphe auf einem Wildpferd durch die Marsch ritt. Und ich, ihr Vater, ich war so stolz auf sie, glücklich, dass sie so viel Leben in sich hatte. Ach.« Sonnenlicht erhellte sein Gesicht, während er sprach. »Du darfst niemals unfreundlich zu deiner Mutter sein«, ermahnte er mich, indem er mir mit dem Finger drohte und seine Augen zusammen kniff, als forsche er in meinem Gesicht nach irgendeinem Anzeichen von Widerspruch. »Sie musste in ihrem Leben schon vieles erdulden und hat vieles getan, auch wenn es manchmal anders zu sein scheint. Sie hat mir einst das Leben gerettet und einen schrecklichen Preis dafür bezahlt.«

    Doch ich wollte über aufregendere Dinge sprechen. Wie sehr ich heute wünschte, ich könnte in die damalige Zeit zurückkehren und ihn bitten, mir mehr über die Vergangenheit meiner Mutter zu erzählen, über die junge Frau, die ich niemals kennen lernte und die vielleicht einen so hohen Preis bezahlen musste, dass es sie für immer verwandelt hatte - von einem jungen Mädchen auf einem Pferd in eine Dirne auf den Feldern mit einer Unmenge von Kindern am Rockzipfel, die täglich um Brot bettelte.
    Ich schlang meine Arme um seinen Hals und sagte zu ihm, er wäre der wunderbarste Großvater auf der Welt. Er umarmte mich seinerseits und hielt mich so eng an sich gepresst, dass ich seine Tränen an meinem Hals spürte. »Wir sind in diese Welt hineingeboren, um unser Schicksal zu erfüllen, mein lieber Junge. Du stammst von der Blutlinie des Großen Waldes ab und von denjenigen, die von seinen Gaben wussten, sogar bevor die Römer in dieses Land kamen. Gleichgültig, welches Elend die Welt dir beschert, sage dich nicht los von der Liebe, die du jetzt besitzt. Sage dich nicht los von allem, das zu tun du geboren wurdest. Alles ist gut und schlecht. Es gibt nicht nur das eine oder das andere. Du musst das Schlechte betrachten und das Gute darin sehen. Und wenn du das Gute siehst, vergiss nicht, dass es auch das Schlechte enthält. Verstehst du?«
    Ich murmelte, dass ich es verstünde, wenn ich damals auch noch nicht über die Erfahrung verfügte, um das zu begreifen, was er zu mir gesagt hatte.
    »Alles, was gut ist, enthält auch Schlechtes. Und falls du das vergisst, wirst du dich verraten fühlen, wenn du nur die Beschaffenheit der Welt verstanden haben solltest.«
    Lächelnd zog ich

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