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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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Medhya nutzt.«
    »Die Blüte?«
    »Ihr Stich ist für Sterbliche tödlich und schickt die Seele in das Reich der hungrigen Götter. Aber uns gestattet ihr Saft, über diese Welt hinaussehen zu können. Und dadurch wirst du wissen, ob du der Erwählte bist - oder die verfluchteste aller Kreaturen.«
    »Es war der Saft, der dir dein Augenlicht zurückgab«, bemerkte ich.
    »Ich besitze kein Augenlicht«, erklärte der Priester. »Alles, was ich sehe, sehe ich vor meinem geistigen Auge oder in den Gestalten im Strom. Meine Zeit wird bald abgelaufen sein. Wenn du vom Lüften des Schleiers zurückkehrst, wirst du wissen, was zu tun ist. Du musst alle Furcht hinter dir lassen, wenn du dies tust. Du musst dem spiegelnden Glas im Inneren folgen, wo hin es dich auch führt, um das zu sehen, was nicht sichtbar ist. Sonst werden die gierigen Ungeheuer der jenseitigen Welt dich finden.«

    Er griff nach mir und umarmte mich. Ich hielt den Stab fest, denn obwohl ich Vertrauen in unseren Priester besaß, so wollte ich doch nicht, dass er den Stab der Nahhashim packte, aus Angst, er würde uns vernichten.
    »Lass die Furcht hinter dir«, forderte er mich auf. »Alle Furcht. Lass sie von dir abfließen wie Wasser.« Dann flüsterte er rituelle Worte, die für mich keine Bedeutung hatten und sich meinem Verstand auch nicht erschlossen, denn sie erschienen mir wie die rein gutturalen Laute eines Tieres.
    Er zog sich zurück und sagte zu mir, ich sollte mir die Blüte auf die Zunge legen und darauf beißen. Ich gehorchte, und eine dicke, bittere Flüssigkeit, die sie enthalten hatte, schoss mir in den Hals. Dann nahm er sie mir aus dem Mund, als handelte es sich hierbei um die Umkehrung des Sakramentempfanges bei der heiligen Kommunion.
    »Zuerst wirst du mit Hilfe des zweiten Gesichtes das aufsuchen, was dein Herz begehrt. Widersetze dich dem nicht. Wenn sich der Schleier lüftet, wird er dich als Erstes dorthin bringen, wohin dich dein Herz führt. Hab keine Angst. Sprich die Visionen nicht an, die du sehen wirst. Wenn du etwas Schreckliches vorfindest, wenn irgendeine Person, die du liebst, von Schrecken umgeben ist, so musst du stumm bleiben. Und hüte dich vor dem Versuch, die Vision zu beeinflussen, denn dies würde auf der Welt Folgen haben, die anders aussähen, als du es dir wünschst.«
    »Dies wird schmerzen«, setzte er hin zu, indem er mir die kleine Blüte dicht vor die Augen hielt.

DER SCHLEIER UND DAS GLAS
    Ich bereitete mich darauf vor, dass es schmerzen würde, doch als er den Saft aus der Blüte presste, um ihn auf mein linkes Auge zu geben, spürte ich lediglich eine geringfügige Reizung. Dann trug er einen Tropfen der Flüssigkeit auf mein rechtes Auge auf. Ich wartete auf den Schmerz. Die Welt verwandelte sich in fleckige Farben und Formen.
    Der brennende Schmerz schoss nun an den Rändern meiner Augenlider entlang, wie durch die Berührung rot glühender Schürhaken genau an dieser Stelle meiner Haut. Ich griff mit der Hand nach meinen Augen, um mich durch Reiben von diesem fürchterlichen Gefühl zu befreien, aber es fühlte sich an, als wären meine Lider zugeklebt. Gleichgültig, wie sehr ich sie aufzureißen versuchte, ich konnte sie nicht öffnen. Dann spürte ich, wie die Erde unter mir nachgab, und ein Lichtblitz explodierte in meinem Gesichtsfeld. Die ganze Welt wurde weiß, und ich befand mich nicht länger im Tempel, obwohl ich die Schatten von seinen Statuen und Säulen überall um mich herum er kennen konnte. In der Luft befanden sich Wesen von der Größe einer Ratte, deren Muskeln sich bewegten, als würden sie über unsichtbare Felsen klettern. Die Hallen des Tempels waren nun durch gläserne Umrisse begrenzt, die wie der Fluss eines Stromes schimmerten, und sie dehnten sich weiter und weiter aus, wie eine lange Straße.
    Merods Stimme begleitete mich - ich spürte seine Hand an meinem Ellbogen, wenn ich ihn auch nicht sehen konnte. »Du hast den Schleier gelüftet, mein Kind. Nun befindest du dich im Myrr, bei dem es sich gleichzeitig um Himmel und Hölle handelt. Habe keine Angst, auch wenn du Visionen von Kreaturen mit zahlreichen Mäulern und vielen Gliedmaßen sehen wirst. Du wirst Götter und Halbgötter zu Gesicht bekommen, die sich alle
in einer Dämmerwelt befinden. Vielleicht wirst du Geister und Erdenkinder erblicken, die sich hinter dem Schleier verbargen, als ihre Zeit kam. Vielleicht siehst du aber auch nichts außer einer weiten, weißen Wüste. Hierbei handelt es sich um das

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