Priester des Blutes
wo die Straßen aufeinandertrafen. »Wie lautet dein Name, kleine Verfluchte?«, fuhr ich sie an.
»Sie heißt Calyx 3 «, antwortete Mere Morwenna. »Denn sie verließ den Mutterleib bedeckt mit einer Glückshaube. In deren Blüte lag ein Kind, das in sich die Weisheit einer anderen Welt trug.«
»Ist das auch der Grund für ihre Missgestalt?«, fragte ich mit einem bitteren Geschmack von Galle im Hals. »Wer ist ihre Mutter?«
»Ihre Mutter ist tot«, entgegnete Mere Morwenna. »Sie gab ihr Leben hin, damit dieses Kind leben konnte. Sie wurde dem Schleier selbst geboren und kam auf diese Welt, um der Göttin als Mundschenkin zu dienen.«
»Sie ist kein Wechselbalg«, meinte ich. »Sie ist verunstaltet. Kinder werden bei der Geburt häufig getötet, wenn sie solche Missbildungen aufweisen, das erzählte mir deine Freundin Brewalen.«
»Ich mag vielleicht äußerlich missgebildet sein«, erwiderte das verhüllte Mädchen, »andere hingegen tragen ihre Missbildungen in ihrem Inneren. Manche von ihnen sind wie Schlösser - aus einiger Entfernung schön und makellos, doch innerhalb der Mauern herrschen Seuche und Gift, die nur noch nicht ans Tageslicht gezerrt wurden. Vertraust du der äußeren Schönheit oder der inneren? Suchst du nach der Schönheit, die im Laufe der Zeit verdirbt, die Dunkelheit in sich trägt, oder nach der, die zeitlos ist?«
»Du widerst mich an«, sagte ich und funkelte Mere Morwenna ebenfalls wütend an. »Du und diejenigen deiner Art sind wahrhaft Hexen und Geliebte des Teufels. Wie sonst wäre meine Mutter solch eines Verbrechens angeklagt worden, wenn sie sich nicht auf eure Gesellschaft eingelassen hätte? Wie viele andere Kleinbäuerinnen kommen wegen eurer Kräuter und eurer Heilkunst zu euch und gehen fort, versehen mit dem Mal des Teufels?«
Der Zorn, der mich er füllte, mein Ver langen, ihnen die Schuld dafür zu geben, dass meine Mutter eingesperrt worden war, erwuchs aus einem ungeheuren Feuer, das in mir brannte und dessen ich mich entledigen musste, um die Nachtluft atmen zu können, ohne die erstickende Bürde der Hilflosigkeit zu spüren. Ich fühlte mich, wie ich mich schon seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte - dicht davor, in Tränen auszubrechen. Aber ich würde nicht zulassen, dass sie mir aus den Augen strömten. »Hätte sie ihr Leben so weitergeführt wie zuvor, selbst wenn es sich dabei um das der niedrigsten Hure der Christenheit handelte, sie hätte nun kein so schreckliches Urteil zu erwarten, weder hier noch in der Nachwelt.«
Mere Morwenna wich vor mir zurück, als wäre sie auf eine Viper gestoßen.
Die Verschleierte mit dem Namen Calyx trat vor und streckte ihren Finger aus, bis sie damit bei nahe mein Gesicht berührte. »Du hast selbst einmal einen Dämon gesehen. Du hast gesehen, was du wissen sollst.«
Mere Morwenna griff nach dem Mädchen und zog es hinter sich, bis es wieder an ihrem Rockzipfel hing.
»Wenn du eine Hexe bist, dann wir ke Zaubersprüche, um meine Mutter aus dem Gefängnis zu befreien. Gebiete dem Teufel, sie zu befreien!«, brüllte ich, als ich zu meinem Pferd zurückkehrte.
»Gewähre deiner Mutter Frieden«, sagte Mere Morwenna, als ich davonritt.
Als ich zum Schloss zurückkam, stand Alienora an der schmalen Brüstung, als hätte sie dort die ganze Nacht ver bracht und Wache gehalten. Ihre Schönheit, vom Licht der Fackel erleuchtet, erfüllte mich mit Zuneigung und ließ einen Großteil meines Ärgers verschwinden. Sie bedeutete Reinheit. Sie war Liebe.
In ihrer Gestalt sah ich all das, was an dieser Welt gut und richtig war. Ich ließ die Waldwelt der Hexen und Teufel hinter mir und hoffte, dass das reinste Licht der Liebe die Düsternis überstrahlen konnte.
Als Erstes suchte ich nach Corentin und fand ihn vor der Feuerstelle im Palas, wo er um geben von Jagdhunden saß und trank. Ich stürzte mich auf ihn, so dass sein Gesicht dem Feuer gefährlich nahe kam. Seine Augen brannten mit den Flammen um die Wette und in seiner Seele erkannte ich Furcht.
»Was habe ich getan?«, fragte ich. »Warum hast du meinen Herrn gegen mich aufgebracht? Welchen Verbrechens bin ich von dir angeklagt?«
»Der Verbrechen Sodomie, Blasphemie und Diebstahl«, entgegnete er und lachte dann. »Und solltest du mich nun töten, so würden es alle erfahren. Töte mich hier, am Feuer, mit dem Getränk
in meinen Händen, so dass bekannt wird, dass du nichts als Geschmeiß bist. Dass du das Monster bist, von dem ich behauptet habe, dass du
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