Priester des Blutes
nahm. Der sie mir nahm. Aus meinen Armen. Und er vernichtete sie. Und aus ihrer Vereinigung gingst du hervor. Ich dachte, ich könnte dich lieben, wie ich einst deine Mutter liebte. So wie ich sie einst sah, so wunderschön und jung, glücklich und unschuldig. Ich dachte, indem ich dich aus diesem Elend rettete, könnte ich all das wiedergutmachen, dem ich sie in den vergangenen Jahren ausgeliefert hatte. Doch dann musstest du unbedingt meinen eigenen Sohn vernichten. Mein eigenes Kind. Mit den Sünden und Teufeleien deines Vaters. Und nun lügst du mich an. Hätte ich in diesem Augenblick ein Schwert zur Hand, so würde ich dich wie eine Schlange auf dem Felde erschlagen und mir nichts dabei denken.«
»Herr?«, bat ich flehentlich mit schwacher Stimme. »Wie? Wie? Ich kenne Euren Sohn nicht.«
»Ich habe viele Bastarde. Aber es gibt nur einen, den ich aufgezogen und dem ich Unterstützung gewährt habe. Er ist dein Bruder, den ich als Säugling aus dem Arm seiner Mutter nahm, um
ihn vor dem verfluchten Rattennest zu bewahren. Und er ist mein Sohn. Sein Name«, sagte mein Herr, »lautet Corentin.«
Daraufhin wandte er sich um und kehrte in seine Kammer zurück.
DIE BLASPHEMIE
Die Ereignisse der Nacht wühlten mich so auf, dass ich weder Frieden im Schlaf finden noch in meine Unterkunft zurückkehren konnte, wo ich gewiss Corentin vorfinden würde, sofern er nicht mit einem Dienstmädchen im Bett lag. Ich fühlte mich elend und erschöpft - und wusste nicht, wohin ich mich wenden sollte, um Trost zu finden. So ging ich zur Kapelle und betete zur Heiligen Jungfrau um Führung in dieser schweren Zeit. Ich entzündete Kerzen und setzte mich der Statue zu Füßen. Eine kleine Kerze stellte ich in die Hand fläche Unserer Lieben Frau, doch sie verlosch sehr bald. Abermals zündete ich sie an und stellte sie in die steinerne Hand, und wieder ging die kleine Flamme aus. Nun fragte ich mich, ob ich ver flucht wäre oder ob ich den Kampf, der in meinem Innreren um mein Seelenheil stattfand, verlöre. Damals erzählten uns die Priester, dass Engel und Teufel um unsere unsterblichen Seelen wetteiferten. Wir konnten solche Kämpfe nicht kontrollieren und das Ergebnis nicht bestimmen, sondern befanden uns in der Hand der unsichtbaren Stellvertreter der Heiligen und der Verdammten. In jener Nacht hatte ich das Gefühl, meine Seele müsste für die Hölle bestimmt sein.
Irgendwann während der Nacht, vielleicht kurz vor dem Morgengrauen, kam der einzige Engel, dem ich je begegnet war, in die Kapelle. Alienora. Auch sie war nicht in der Lage gewesen zu schlafen.
»Ich sah hier Licht und dachte, es sei viel leicht unser Wächter im Gebet«, sagte sie. »Was plagt dich so, dass du nicht schlafen kannst?«
»Ich könnte Euch das Gleiche fragen, meine Herrin.«
»Träume quälten mich«, antwortete sie, während sie neben mir niederkniete. »Träume, über die ich nicht zu sprechen wage.«
Mutig legte ich ihr meine Hand an die Wange. Darin spürte ich eine fiebrige Hitze, die mich bis ins Mark erschütterte. Ich hatte sie mir als keuschen und reinen Engel vorgestellt, aber dieses Feuer auf ihrem Gesicht war ein animalisches. Meine Hand erwärmte sich bei der Berührung, und die Wärme breitete sich über meinen Arm aus bis hin zur Schulter, dann zu meinem Hals, und nun stand mein gesamter Körper, der noch kurz zuvor ein eiskaltes Winterland gewesen war, in Flammen.
Ich blickte ihr in die Augen und sah dort ein Verlangen, das ich bei einer so frommen Person nicht erwartet hatte. Ihre Lippen schienen ausgetrocknet. Sie flüsterte mir etwas zu, doch ich verstand es nicht. Ich beobachtete ihre Lippen, während sie sprach, und lauschte ihren Worten, als sie wisperte: »Ich habe von dir geträumt.«
Ich beugte mich zu ihr und presste meine Lippen gegen ihren Mund. Meine Lippen befeuchteten die ihren, und ich spürte, wie ihr Mund nachgiebiger wurde, als er sich unter meinem stürmischen Druck öffnete. Wie die Blütenblätter einer erblühenden Rose teilten sich ihre Lippen. Meine Hände wanderten zu ihrem Gesicht und hielten sie in diesem Kuss, als setzte ich einen Weinschlauch an meine Lippen, unfähig aufzuhören, daraus zu trinken. Ich spürte die Nässe ihrer Zunge, als die meine mit ihr spielte. Während sich ihre Lippen weiter öffneten, sprang die Glut meines inneren Feuers auf sie über. Sie schlang die Arme um meinen Nacken, und meine Hände wanderten von ihrem Gesicht zu ihrem wunderschönen Haar. Ich zog mich ein
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