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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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in meinem Körper ausbreitete. Da raufhin hatte ich das Gefühl, dass Rasierklingen aus Eis mein Fleisch von innen durchtrennten und nach außen drängten.
    Endlich, dachte ich. Ich sterbe. Ich werde das Ende von allem erleben. Ob meine Seele in den Himmel oder in die Hölle kam, darüber machte ich mir keine Gedanken. Warum sollte es eine Rolle spielen, ob nun Teufel oder Engel den Kampf um meine Seele gewonnen hatten? Es war besser, die Ewigkeit mit Martern zu verbringen, die einen Sinn hatten, als das Leben weiterzuführen, das ich geführt hatte. Die Erinnerungen an dieses Leben wurden
nicht wieder in mir wach. Ich versuchte mich an etwas festzuhalten, als ich spürte, wie die Lebenskraft meinen Körper ver ließ. Ich versuchte mich an diejenigen zu erinnern, die ich vergessen hatte. Meine Mutter - wie hatte sie ausgesehen? Ich konnte mich an den Geruch ihres Feuers erinnern, aber nicht an ihr Gesicht. Mein Bruder Frey - was war das Letzte, was er zu mir gesagt hatte? Ich konnte mich nicht erinnern. Würde ich ihn im Leben nach dem Tode treffen? Würde ich dort überhaupt irgendjemandem begegnen, für den ich etwas empfunden hatte? Würde ich in den ewigen Feuern der Hölle brennen? Doch sogar diese letzten Gedanken ergaben für mich keinen Sinn mehr, als ich spürte, wie der Winter mein Fleisch übernahm.
    Schließlich sah ich, wie ein blauer Funke kurz aufblitzte, wie beim Anzünden einer Zunderbüchse, wobei sich jedoch keine richtige Flamme gebildet hätte.
    Eine lastende Dunkelheit zog mich in ihr Loch hinab, und alles, was ich sah, begann im finsteren Tal zu verschwinden. Ich roch etwas wie die Erinnerung an eine Rose - ein Duft, so erstickend und doch so mild, dass ich liebend gerne seiner Spur nachgehen wollte. Auf meiner Reise durch den Tod konnte ich Kerzen riechen, als ob sie in mir angezündet worden wären. Meine Finger verloren das letzte kribbelnde Gefühl, und ein schweres Gewicht verwandelte meine Glied maßen in Stein. Ein Druck wuchs in meiner Brust. Mein Verstand hatte bereits begonnen, sich mit der Schnelligkeit von Falken in eine Dunkelheit zu bewegen, die so tief war, dass sie schon wieder zu Licht wurde. Und dennoch war sie weder hell noch dunkel, weder Nacht noch Tag, und tausend Farben bildeten sich, während mein Körper zu Eis wurde.
    Und dann erlosch ich - das war das Ende der Flamme.
    Drei Nächte später erwachte ich.

DAS ZWEITE BUCH
UNSTERBLICHKEIT

DIE AUFERSTEHUNG
    Mein sterbliches Leben hatte in jenem Turm geendet, als mir diese Kreatur, die Vampyrin, das letzte Blut meines Lebens entzogen und mir den Atem eines Lebens in ewiger Verdammnis gegeben hatte. Wie viele Jahre und Jahrhunderte sind seit jenem Augenblick vergangen! Die Stadt meiner Wiedergeburt ist nun im Sande vergraben, während andere hoch auf ragende Zitadellen ihren Aufstieg und Fall er lebten, wie Sandburgen, die von Einer Flutwelle mitgerissen werden - erbaut, zerstört, neu erbaut, vernichtet. Die Zeit selbst verändert sich mit der ersten Auferstehung, denn Tage werden zu Minuten und Jahre zu Stunden.
    Die Zeit der Sterblichkeit ist das kurze Aufflackern einer Lampe in einem zugigen Raum. Die unsterbliche Existenz dagegen ist das Feuer, das sich durch den Wind ausbreitet, über trockenes Gras und sterbende Dörfer. Sie zerstört und verführt, sie ist der Schmelzofen der Ewigkeit in der Gestalt eines einzelnen Wesens, und zwar des Menschen, der von den Toten aufersteht.
    Hunger und Durst scheinen nach dem Erwachen wesentlich größer.
    Der Geist selbst wächst, erweitert sich und birgt mehr in sich, als es der sterbliche Geist jemals ver mochte. Das Einfühlungsver mögen wächst, ebenso wie ein widernatürliches Verständnis für die Beute und den Tanz, den sie mit dem Räuber aus führen muss.
    Doch das Erste, was ein neu entstandener Vampyr fühlt, ist der Schock, dass er sich an die Reise zum Tode erinnert, zur Schwelle selbst. Und die Rückkehr zum Fleisch ist eine unwillkommene Rückkehr.

    Der Tod ist ein Flüstern, ein Echo, aber das Leben ist ein rasender, verwüstender Schwachsinniger, der einen dazu veranlasst, zum Fleisch, zu den Nerven, den Muskeln und dem Herzschlag zurückzukehren.
    Zurück zum Blut selbst.
     
    Ich lag in einem tiefen, offenen Grab.
    Über mir war Dunkelheit.
    Ich hielt den Atem an, wie jemand, der aus dem Meer auftaucht, nachdem er bei nahe ertrunken wäre. Und ich griff nach allem, was ich erreichen konnte. Dabei handelte es sich zufällig um Erde und Steine, die neben mir

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