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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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und Hoffnung auf eine weitere Nacht des Aderlasses ließen mein bleiches Fleisch wieder zum Leben erwachen.
    »Du stirbst«, flüsterte sie mir zu, mit ihren Lippen nahe an meinem Ohr. »Aber ich habe dich bei nahe einen vollen Mond lang geliebt, und ich schmecke etwas in dir, auf das ich nicht verzichten möchte. Willst du als Monster leben oder als Mensch sterben?«

    Ich versuchte zu sprechen, fand aber keine Worte. Doch sie hörte meine Gedanken.
    »Du wirst den Schmerz des Todes spüren. Er fühlt sich an wie tausend Nadeln, und aus jedem Stich ihrer Dolchspitzen erwachsen weitere tausend«, sagte sie, und ihre Stimme klang wie die einer Mutter, die einem fieberkranken Kind ein Schlaflied zuflüstert. »Er wird dein Herz an halten und den Atem aus deiner Brust rauben. Du willst eine Angst empfinden, die alle Sterblichen bei ihrem Tode spüren, und du wirst nicht glauben, dass du je hier her oder in die Welt jenseits der Schwelle zurückkehren wirst. Doch fürchte dich nicht. Lasse den Tod dir deine Sterblichkeit wegnehmen. Gib ihm das, was ihm zusteht. Was ich ins Leben rufen werde, ist ein drittes Wesen, zwischen dir und mir, unser Kind, und das Kind wird in dir sein, und du wirst dieses Kind sein. Du wirst der Vater des Kindes sein und der Sohn ebenfalls, und du wirst er sein, doch er wird nicht du sein. Gib mir deinen Atem - und nimm den meinen von mir.«
    Statt ihre Zähne in mich zu bohren, legte sie ihre Lippen auf die meinen. Ich erwartete die Nadeln ihrer Zähne zu spüren, doch stattdessen teilte sie meine Lippen mit ihrer Zunge, und ich spürte einen Luftschwall.
    Ein heißer Wind drang in meinen Mund ein und drängte sich meinen Hals hinab. Es fühlte sich an, als ob unsichtbare Spinnen über meine Zunge in meine Kehle huschten, an dem feuchten Gewebe hinten in meinem Hals entlang. Es war nicht einfach nur Atemluft, denn irgendetwas darin sorgte dafür, dass ich sie klarer sah, während sie in meine Lungen eindrang. Es handelte sich dabei um eine neue Art von Äther, die mich wiederzubeleben begann. Ich konnte mich nicht dagegen wehren und versuchte Pythia fortzustoßen, da ich mich davor fürchtete. Aber ich hatte keine Kraft.
    Meine Augen weiteten sich, als ich spürte, wie meine Lungen
brannten. Sie hatte mein Inneres angezündet. Ich spürte eine schreckliche Angst davor, durch diese Hitze zu verbrennen.
    Sie hielt mich enger an sich gedrückt, als ich je gehalten worden war - es war, als wären wir aneinander gefesselt. Ich schloss die Augen und spürte meine Ergebenheit ihr gegenüber, ihrem Willen gegenüber. Plötzlich übermannte mich eine Vision, in der ich jede Einzelheit vollkommen erkennen konnte:
    Ein Mann in den Gewändern eines Priesters, mit einem Stab in der Hand, auf dem ich zwei Schlangen erblickte, die ineinander verschlungen waren. Hinter ihm sah ich einen Altar, auf dem Pythia in königlichem Prunk lag. Wir befanden uns in einem großen Tempel irgendeiner primitiven Zivilisation. Und da war auch noch jemand anders - eine Frau, deren Gesicht durch eine schreckliche Goldmaske verdeckt war, eine Maske, auf der das Gesicht irgendeiner monströsen Kreatur zu sehen war.
    Der Priester sagte zu mir: »Alkemara.«
    Ich fühlte mich, als stünde ich in Flammen, auf dem Scheiterhaufen festgebunden, wie es meine Mutter gewesen war, mit dornigem Holz um meine Knöchel.
    Die Schlangen, die sich langsam an dem Stab entlangschlängelten, den er hielt, wurden plötzlich zu Einer ringförmigen Rebe, und eine kleine Blüte in einem bläulichen Purpurrot öffnete sich aus dem runden Blatt der Rebe.
    Der Priester hielt seinen Blick eisern auf mich gerichtet, als forschte er nach etwas in mir, das er bereits seit Jahren suchte. Es handelte sich bei ihm um ein ausgemergeltes Wesen mit dunklen, spiegelnden Augen. Sein Schädel und Gesicht waren rasiert und mit Tätowierungen bedeckt, die primitiv und wild aussahen. Durch seine Ohren und Nasenflügel waren Ringe gezogen, und dort, wo seine Robe sich öffnete, erblickte ich auch auf seiner Brust Ringe. Seine Fingernägel waren lang und sanft gekrümmt, dick und gelb. Die Robe, die er trug, war golden, rot und schwarz
gefärbt, und im Lichte des großen Mondes, der über uns schien, schimmerte sie entlang der Ärmel silbern.
    Als er sprach, glänzten seine Zähne schwarz und blank, als wären sie aus einem durchscheinenden dunklen Stein gefertigt und in sein Zahnfleisch gesteckt worden. Die Augen waren schwarz wie die Nacht - es gab darin nichts Weißes

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