Priester des Blutes
Muskeln und einem herzlichen Lachen? Würde ich sie das Wissen um ihre eigene Sterblichkeit, ihre Verletzlichkeit lehren, oder würde ich ihnen Kunde von ihrer Macht als Quelle meines neuen Lebens bringen?
meine Liebe war der Tod. Mein Tod war die Liebe. In dieser neuen Inkarnation brachte ich den Sterblichen den Tod, und es fühlte sich wie eine Gabe an, wenn ich von ihnen trank.
Wenn ich ein Dämon war, Warum lobte ich dann noch immer Gott? Warum begann ich zu verstehen, dass auch andere Götter die Welt durchwanderten? Warum hatte sich meine Denkweise verändert, und Warum empfand ich diese Entfesselung meines Instinktes als eine wundervolle Macht, die der Menschheit verwehrt blieb?
Warum hatte ich noch immer das Gefühl, als ob das Leben lebenswert wäre, Warum fühlte ich mich so gar zum ersten Mal in beinahe zwanzig Jahren wahrhaft lebendig?
Der Tod war das Schlachtfeld. Die Leichname meiner Brüder waren überall auf seinem großen Feld des Blutes verstreut worden.
Ich war nicht tot, nicht im Sinne des Todes. Ich war nicht lebendig, doch ich spürte mehr Leben in mir, als ich es jemals gekannt hatte. Mein Geist erweiterte sich mit diesem Gedanken: Tod, nutzloser Tod, das war das, was die Menschheit mit sich brachte. Die Menschheit war eine Geißel für sich selbst. Damals war ich ein neugeborenes Wesen. Ich war ein Liebhaber von Frau und Mann. Ich wusste zu schätzen, was sie mir darboten, und ich wollte es nehmen, mit Bedachtsamkeit, mit Freundlichkeit, wie ein Liebender die Keuschheit der Jungfrau mit Achtsamkeit in seine Hände nimmt. Ich wünschte mir, einen Mann in den Armen zu halten, während ich von seinem roten Saft trank, wünschte mir, den Hals einer Frau zu küssen, bevor ich die pulsierende Ader spürte, und dann in sie ein zutauchen, um diesen edelsten aller Liköre zu trinken.
Es lag kein Wahnsinn in diesen Gedanken. Ich fühlte mich nicht, als hätte mich Gott verlassen, sondern so, als wäre ich durch meinen Lebenssaft irgendwie mit Ihm verflochten. Ich hatte von der Frucht des Baumes gegessen; jedoch ging es da bei nicht um das Wissen um Gut und Böse, sondern um das des Lebens nach dem Tode. Nicht in irgendeinem unsichtbaren Reich des Geistes, sondern hier, auf dieser Erde, mitten im Herzen des Landes der Toten.
Der Durst überwältigte mich sehr bald. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich seit Anbeginn meiner Existenz noch keine Nahrung zu mir genommen, und als ob ich, wenn ich nicht bald Blut fände, wie das letzte Stück Holz in einem Backofen verdorren würde.
Die anderen um mich herum erhoben sich ebenfalls, einige von ihnen schnell, andere langsamer. Ihre Gestalten wirkten wunderschön. Die Männer waren muskulös und besaßen eine Schönheit, die ich in sterblichen Männern nie zuvor gesehen hatte. Die Frauen ver fügten eben falls über diesen untoten Glanz, jenen Zauber der Verführung, der ohne Zweifel erforderlich war, um Beute
anzulocken. Wunderschön, verdammt und voller Energie, die wie ein Trugbild erschien, das sich durch die heiße Luft um ihre Gestalten bildete. Sie ähnelten nicht etwa Leichen oder sogar Dämonen; sie sahen aus wie die Götter der Erde, und in ihren Bewegungen und auf der Oberfläche ihres Fleisches zeigte sich ihre Lebenskraft.
Ich sehnte mich danach, mit ihnen zu sprechen, sie über diese Existenz und ihre Reisen zu befragen. Aber sie bewegten sich zu schnell - manchmal sogar zu flink, als dass man ihnen mit dem Blick hätte folgen können. Sie zeigten keinerlei Interesse, weder an mir, noch an ihren Genossinnen und Genossen in diesem dämonischen Reich. Stattdessen stiegen sie nach oben zu den Korridoren, zur Welt, die an der Oberfläche lag.
Eine Frau mit dunkler Haut und geflochtenem Haar erhob sich. Es war diejenige, die zuerst mit mir gesprochen hatte: über das Bedürfnis zu trinken, um zu leben. Sie hüllte sich in einen zerrissenen Umhang ein und warf mir einen kurzen Blick zu. Ihre Augen hatten eine gelbe Färbung angenommen, und ihre ausgetrockneten Lippen teilten sich, als wollte sie sprechen. Einen Augenblick lang hegte ich Hoffnung, doch als sie den Mund öffnete, tat sie dies, um die Fänge eines Wolfes zu entblößen. Sie wand ihr Haar in ein Tuch, aus dem schließlich ein Turban wurde. Dann kroch sie an der Seite einer der großen Säulen empor und bewegte sich über die Decke dieses Friedhofskerkers, bis sie einen Fensterschlitz erreicht hatte und sich hindurchpressen konnte. Sie war an Taille und Hüften bemerkenswert schlank
Weitere Kostenlose Bücher