Priester und Detektiv
(vielleicht neben jenem) nahezu auffallend klein war. Sie stiegen zu dem großen Grabmal des historischen Kriegers hinauf und starrten es einige Minuten an. Kein menschliches, ja vielleicht kein lebendes Wesen in weitem Umkreise, und eine angekränkelte Phantasie hätte wohl fragen mögen, ob sie selbst menschlich waren. Jedenfalls mochte der Beginn ihrer Unterhaltung sonderbar scheinen. Nach dem ernsten Schweigen sagte nämlich der kleine Mann zu dem anderen:
»Wo verbirgt der Weise einen Kieselstein?«
Und der Große antwortete leise: »Am Strande.«
Der kleine Mann nickte und nach kurzem Schweigen fragte er weiter: »Wo verbirgt der Weise ein Blatt?«
Und der andere antwortete: »Im Walde.«
Abermaliges Schweigen und dann fuhr der Große fort: »Meinen Sie, man hat je gehört, daß ein Weiser, der einen echten Diamanten zu verbergen hat, ihn unter falschen verborgen hat?«
»Nein, nein,« sagte der Kleine lachend, »wir wollen das Vergangene ruhen lassen.«
Er stampfte ein paarmal auf seinen erkalteten Füßen hin und her und sagte dann: »Daran denke ich gar nicht, sondern, an etwas anderes, etwas von ganz besonderer Art. Zünden Sie einmal, bitte, ein Streichholz an.«
Der Große kramte in seiner Tasche und bald ließ ein Aufleuchten und ein Lichtschein die ganze flache Seite des Denkmales in Gold erglänzen. Auf ihr waren in schwarzen Buchstaben die wohlbekannten Worte eingegraben, die so mancher Amerikaner ehrfurchtsvoll gelesen hatte: Geweiht dem Andenken des Generals Sir Arthur St. Clare, Held und Martyrer, welcher stets seine Feinde besiegte und sie stets verschonte, und schließlich verräterisch von ihnen gemordet ward. Möge Gott, auf den er vertraute, ihn belohnen wie auch rächen.«
Das Zündholz brannte des großen Mannes Finger, erlosch und fiel nieder. Er war im Begriff, ein zweites anzustreichen, doch sein kleiner Gefährte wehrte ihm.
»Schon gut, Flambeau, alter Freund; ich habe gesehen, was ich wollte, oder vielmehr, ich habe nicht gesehen, was ich nicht sehen wollte. Und nun heißt es, anderthalb Meilen bis zum nächsten Gasthause laufen, und ich werde versuchen, Ihnen alles zu erzählen. Weiß Gott, man sollte wirklich ein Feuer und ein Glas Bier dazu haben, um eine solche Geschichte zu erzählen.«
Sie stiegen den steilen Pfad hinab, schlossen das verrostete Tor wieder und machten sich stampfenden Schrittes auf den gefrorenen Weg durch den Wald.
Sie waren bereits eine gute Viertelmeile gegangen, ehe der Kleinere wieder das Wort ergriff. Er begann: »Ja, der Weise verbirgt einen Kieselstein am Strande. Aber was tut er, wenn er keinen Strand hat? Wissen Sie etwas über die große St. Clare-Affäre?«
»Ich weiß nichts über englische Generäle, Father Brown,« antwortete der Große lachend, »wenn auch manches über englische Polizisten. Ich weiß nur, daß Sie mich ein anständiges Stück Weges umhergeschleppt haben zu all den Erinnerungsstätten dieses Burschen, wer immer er auch gewesen sein mag. Man möchte meinen, er liegt an sechserlei Orten begraben. Ich habe in der Westminsterabtei ein Grabmal des Generals St. Clare gesehen, ich habe auf dem Embankment ein Reiterstandbild des Generals St. Clare gesehen, ich sah ein Bild des Generals St. Clare in Medaillonform in der Straße, wo er geboren wurde und ein zweites in der, wo er gelebt hat, und jetzt schleppen Sie mich im Finstern zu seinem Sarge im Dorfkirchhof. Ich fange an, genug zu bekommen von seiner großartigen Persönlichkeit, besonders da ich nicht im mindesten weiß, wer er war. Was wollen Sie denn hinter all diesen Krypten und Denkmälern aufstöbern?«
»Ich suche nur nach einem Worte,« erwiderte Father Brown, »einem Worte, das nicht da ist.«
»Nun,« fragte Flambeau, »wollen Sie mir einiges darüber erzählen?« »Ich muß zwei Teile daraus machen,« bemerkte der Priester. »Da ist zuerst das, was alle Welt weiß, und dann das, was ich weiß. Was nun alle Welt weiß, ist kurz und einfach genug. Auch ist es vollkommen unzutreffend.«
»Recht haben Sie,« sagte der Große namens Flambeau fröhlichen Tones. Fangen wir am falschen Ende an. Fangen wir mit dem an, was alle wissen und was nicht wahr ist.«
»Wenn schon nicht gänzlich unwahr, so ist es mindestens sehr unzutreffend,« fuhr Brown fort; »denn tatsächlich läuft alles, was die Öffentlichkeit kennt, darauf hinaus: man weiß allgemein, daß Arthur St. Clare ein großer und erfolgreicher englischer General war. Man weiß, daß er nach glänzenden,
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