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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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sich selbst überlassenen Regimente, welches jenen Überfall am Rio Negro machte, befand sich ein gewisser Hauptmann Keith, der damals mit St. Clares Tochter verlobt war und sie nachher heiratete. Er war einer von denen, die von Olivier gefangen genommen wurden und wie die übrigen mit Ausnahme des Generals gut behandelt und nachher freigelassen worden zu sein schienen. An die zwanzig Jahre später veröffentlichte dieser Mann, nunmehr Oberstleutnant Keith, eine Art Selbstbiographie unter dem Titel ›Ein britischer Offizier in Birma und Brasilien‹. An der Stelle, wo der Leser mit Spannung irgend einen Bericht über das Geheimnis von St. Clares Mißgeschick sucht, finden sich nur die Worte: ›Das ganze Buch hindurch habe ich die Dinge genau so erzählt wie sie geschahen, da ich die veraltete Meinung teile, Englands Ruhm sei alt genug, um sich selbst zu genügen. Die Ausnahme, die ich machen werde, bezieht sich auf die Niederlage am Rio Negro, und meine Gründe dafür sind wenngleich private so doch ehrbare und zwingende. Ich will jedoch, um dem Andenken zweier berühmter Männer Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, folgendes hinzufügen. General St. Clare ist bei dieser Gelegenheit der Unfähigkeit geziehen worden; ich kann nur erklären, daß dieses Unternehmen, richtig verstanden, eines der glänzendsten und scharfsinnigsten seines Lebens war. Präsident Olivier wird ähnlicherweise roher Ungerechtigkeit angeklagt. Ich glaube, es der Ehre eines Feindes zu schulden, wenn ich sage, daß er bei dieser Gelegenheit sogar noch mehr als sonst nach seiner charakteristischen guten Gesinnung handelte. Um die Sache leichtverständlich auszudrücken, kann ich meine Landsleute versichern, daß St. Clare keineswegs ein solcher Narr und Olivier keineswegs ein solcher Unmensch war, wie es den Anschein hatte. Das ist alles, was ich zu sagen habe; und kein irdischer Beweggrund wird mich veranlassen, dem ein Wort hinzuzufügen.«
    Ein großer frostiger Mond, einem leuchtenden Schneeball gleich, begann durch das Gezweige vor ihnen zu blicken und bei seinem Lichte war es dem Erzähler möglich gewesen, seiner Erinnerung von Hauptmann Keiths Text durch ein Blatt bedruckten Papieres nachzuhelfen. Als er es zusammenfaltete und in seine Tasche zurücksteckte, erhob Flambeau seine Hände mit einer echt französischen Bewegung.
    »Warten Sie, warten Sie ein wenig,« rief er erregt. »Ich glaube, ich kann es aufs erstemal erraten.«
    Er schritt voran, schwer atmend und den schwarzen Kopf und den Stiernacken vorwärts gebeugt wie ein Mann bei der letzten Runde eines Wettlaufes. Der kleine Priester, den dies belustigte und interessierte, hatte einige Mühe, neben ihm herzutraben. Gerade vor ihnen traten die Bäume zur Rechten wie zur Linken etwas zurück und der Weg senkte sich durch ein klares, mondhelles Tal, bis er wieder wie ein Kaninchen in der Wand des weiteren Waldes verschwand. Der Eingang in den fernergelegenen Wald schien klein und rund wie das schwarze Loch eines fernen Eisenbahntunnels. Aber er lag nur ein paar hundert Meter weg und gähnte sie wie eine Höhle an. ehe Flambeau wieder das Wort ergriff.
    »Ich hab's,« rief er endlich. »Nur vier Minuten Nachdenkens und ich kann Ihnen Ihre ganze Geschichte selbst erzählen.«
    »Recht so,« stimmte sein Freund bei, »erzählen Sie sie.«
    Flambeau erhob den Kopf und senkte seine Stimme.
    »General Sir Arthur St. Clare,« begann er, »entstammte einer Familie, in welcher Irrsinn erblich war, und sein ganzes Streben ging dahin, dies vor seiner Tochter und wenn möglich auch vor seinem künftigen Schwiegersohne geheim zu halten. Ob mit Recht oder Unrecht, er glaubte, der Zusammenbruch stehe bevor, und beschloß Selbstmord. Doch ein gewöhnlicher Selbstmord hätte eben die Idee verraten, die er fürchtete. Mit dem Herannahen des Feldzuges verdichteten sich auch die Wolken mehr und mehr über seinem Geiste und schließlich opferte er in einem Augenblicke des Wahnsinnes die äußere Pflicht seiner eigenen, privaten. Er stürzte sich Hals über Kopf in den Kampf und hoffte, von der ersten Kugel zu fallen. Als er fand, daß ihm nur Gefangenschaft und Schande gelungen war, barst die in seinem Hirne versiegelte Bombe und er zerbrach sein Schwert und erhängte sich.«
    Er starrte auf die große Waldmauer vor ihm mit der einen schwarzen Öffnung darin, als wäre sie der Zugang zu dem Grabe, nach dem ihr Pfad führte. Vielleicht lag etwas Drohendes in diesem so plötzlich endenden Pfade, was

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